Sixty Shades of Blood. Episode I: Rote Lust (Erotik-Satire oder so) (German Edition)
etwa sechzig oder siebzig vor mir liegenden Jahre ohne Cornelius bekomme ich Lust auf eine Kombination aus Schlaftabletten, Hochhausbalkonen, Autoabgasen, Eisenbahngleisen und Hanfstricken. Apropos Han f strick: Ich reibe mir den Hals. Das Kitzeln darin bringt die E r innerung an seinen Blick zurück. Habe ich schon erwähnt, dass er schwarze Augen hat und immer amüsiert dreinschaut, auch wenn es gar nichts Lustiges gibt?
»Vermutlich hast du Recht.« seufze ich. »Es ist besser so. Ich füttere Quentin, dann lerne ich noch ein wenig für »Mikrom e chanik II«.
»Deinen Stundenplan möchte ich haben.« gähnt sie. »Ich muss so schwere Fächer wie »Soziologie der Vorabend-Serie« oder »Aktuelle Fragestellungen des Dessous-Designs in der afroamerikanischen Mittelschicht« bewältigen.«
Ich schlage die Augen nieder und fühle mich schuldig. »Ich unterstütze dich.« schlage ich vor. »Ich schweiße morgen die Dachrinne und wasche dir den Porsche. Dann hast du mehr Zeit zum Lernen, okay?«
»Und einen Kuchen.« Jetzt strahlt sie. »Ich will einen K u chen. Die Vitamine eines Kuchens gehen beim Lernen direkt ins Gehirn, das schreibt schon Max-Lloyd Weber. Aber hol bitte einen von der Konditorei, nicht wieder so ein selbstgeb a ckenes… Ding wie neulich.«
»Ja, geht klar.« Mein Backversuch letzte Woche war wir k lich ein Desaster. Ich hatte statt dem Rezept für Kirschkuchen versehentlich eine Bauanleitung für Plastiksprengstoff aus dem Internet ausgedruckt. Peinlich, sowas!
Kyra nimmt alle tiefgefrorenen Pizzen aus dem Eisfach und verschwindet mit dem Recorder und meinen Notizen in ihrem Zimmer. Ich sehe noch, wie sie die Pizzaschachteln auf ihren Schreibtischstuhl stapelt und sich mit angespannter Miene d a rauf nieder lässt. Dann fällt die Tür zu.
Ich erlaube mir einen Seufzer, so tief wie das Dekollete von Janet Jackson, und hole das Fleisch aus dem Kühlschrank. Quentin mag am liebsten ganze Steaks, doch ich kaufe meistens Geschnetzeltes. Das macht mehr Spaß beim Füttern. Truthahngeschnetzeltes von Wal-Mart, im Aktionspreis pro Kilogramm diese Woche nur $ 0,99 (jetzt mit 1-Click® ka u fen).
Schnell den Teppich weggerollt und die geheime Falltür aufgeklappt. Dann die steile Treppe hinunter in das Halbdunkel des illegal angelegten Kellers. Der Vormieter, ein erstaunlich junger Mexikaner, hatte hier unten seinen Chemiebaukasten aufgebaut. Er wollte vor allem Mehl herstellen. Das behauptet zumindest Kyra, die sich gleich nach dem Einzug den ganzen Rest von dem weißen Zeug unter den Nagel gerissen hat. Aber mit so einem Mist kann sie mich nicht hinters Licht führen. Ich weiß, dass es sich um Vitaminpulver handelt. Kyra nimmt es immer, bevor sie abends ausgeht. Damit hält sie das stunde n lange Tanzen und den sekundenlangen Sex danach besser durch, sagt sie.
Auch Quentin haben wir vom Vormieter übernommen, z u sammen mit der Einbauküche und dem Teppichboden. Der Mexikaner hat uns seine tragische Geschichte erzählt. In seiner Heimat wurde er fast zu Tode gehetzt, nur weil er ein paar Le u ten das Gehirn aus dem Schädel gefressen hat. Dabei waren das alles Politiker. Ohne Gehirn sind die doch viel günstiger dran. Seine Opfer kamen bei der nächsten Wahl alle ins Parlament. Sie sollten ihm eigentlich dankbar sein.
Quentin kam ohne Papiere über die Grenze. Er ist also ein I l legaler, wie so viele in unserem Land. Beim Supreme Court liegt ein ähnlich gelagerter Fall zur Entscheidung vor: Ein Werwolf hat gegen die »National Rifle Association« geklagt und gefordert, dass Silbermunition landesweit verboten wird. Der Mexikaner meinte, sobald er damit durch kommt, kann Quentin sich darauf berufen und offiziell um Asyl bitten. Zie m lich kompliziert, was? Ich bin froh, dass ich nicht Jura studiere.
Der Zombie kauert ganz hinten in der Ecke. Um seinen Hals liegt ein Eisen, das an einer armdicken Kette an den Grundma u ern des Hauses verbunden ist. Früher hat er oft gejault oder mit der Kette gerasselt, wenn er alleine war. Dann fand Kyra einen großformatigen Bildband über Unfallopfer mit Kopfverletzu n gen. Sie hat alle Bilder, auf denen ein herausquellendes Gehirn zu sehen ist, ausgeschnitten und an die Kellerwand gepinnt. Jetzt sitzt er den ganzen Tag und die ganze Nacht vor den Bi l dern, sabbert ununterbrochen, und erinnert sich an die glückl i chen Zeiten in der mexikanischen Politik. Er trägt nur noch Fetzen seiner ursprünglichen Kleidung, sonst ist er nackt.
»Hallo Quentin,
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