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Sizilien - eine Geschichte von den Anfaengen bis heute

Sizilien - eine Geschichte von den Anfaengen bis heute

Titel: Sizilien - eine Geschichte von den Anfaengen bis heute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Reinhardt , Michael Sommer
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Provinz
    Der Zweite Punische Krieg bedeutete für Sizilien endgültig den Abschied von der Bühne der großen Politik. Das heißt nicht, dass die Jahrhunderte unter dem römischen Adler für die Insel und ihre Bewohner ereignislos gewesen wären. Strategische Bedeutung hatte Sizilien für Rom vor allem wegen des Getreides, das es in großen Mengen exportierte und auf das die wachsende Bevölkerung der Hauptstadt immer mehr angewiesen war. Ackerbau wurde intensiv betrieben, auf Latifundien, landwirtschaftlichen Großgütern, auf denen ganze Heerscharen von Sklaven ihr freudloses Dasein fristeten. Die Besitzer dieser Latifundien, deren Tradition auf Sizilien weit in die Zeit karthagischer Vorherrschaft zurückreichte, waren Agrarunternehmer, die hauptsächlich auf schnelle Gewinne aus waren.
    Schlecht waren deshalb die Lebensbedingungen der größtenteils aus dem Nahen Osten stammenden und auf überregionalen Märkten wie Delos en gros gehandelten Sklaven, und entsprechend hoch war das Potential der Unzufriedenen. Der erste großflächige Aufstand brach, im politischen Windschatten des römischen Eroberungskrieges in Spanien, 136 v. Chr. in der Region des ostsizilischen Castrum Hennae (Enna) aus: Dort hatte Eunos, der aus Apameia stammende Sklave eines reichen Aristokraten, eine Rebellion von 400 Sklaven angeführt, die sich schließlich der Stadt bemächtigt hatten. Ihr Überraschungserfolg zog rasch Kreise. 6000 Sklaven im Umland schlossen sich dem Aufstand sofort an; sie unternahmen |80| Raubzüge und erklärten Eunos, der sich bald zur Erlöserfigur von quasi-messianischer Statur stilisierte, unter dem Namen Antiochos zum König. Ihnen schloss sich bald noch ein zweiter Sklavenführer, ein gewisser Kleon aus Kilikien, mit seinen Gefolgsleuten an. Unverzüglich setzten die Römer ein Heer gegen die aufständischen Sklaven in Marsch, deren Heer bald auf 60- bis 70   000 Mann anschwoll. Doch setzten die Rebellen ihren Siegeszug zunächst ungebremst fort: Sie gewannen mehrere Schlachten, nahmen die Städte Tauromenion und Katane ein und belagerten Messene. Am Ende gelang es den Römern, den Großteil des Sklavenheeres in Tauromenion einzuschließen und die Stadt nach längerer Belagerung zu erobern. Bald fielen auch die übrigen Bastionen der Aufständischen, die, wie es das Gesetz verlangte, gefoltert und getötet wurden.
    Der zweite Sklavenkrieg, der 104 v. Chr. ausbrach und bis 101 v. Chr. dauerte, lief nach ähnlichem Drehbuch ab: Unter der Führung von Salvius und Athenion erhoben sich, während Rom gleichzeitig Kriege gegen die Kimbern und Teutonen und gegen Jugurtha in Nordafrika führte, Sklaven in ganz Sizilien; ihnen schlossen sich landlose Freie an. Abermals versank Sizilien im Chaos, und bald griff der Aufstand sogar nach Süditalien über. Eilig entsandte römische Truppen wurden mehrfach geschlagen, erlangten aber schließlich doch die Oberhand über die Aufständischen.
    Die Sklavenrevolten scheiterten hauptsächlich aus zwei Gründen: Ersten waren die Sklaven keine homogene Gruppe, schon gar keine „Klasse“, die um die Durchsetzung gemeinsamer Interessen ringen konnte. Anders als marxistische Historiker glauben machen wollen, zerfielen antike Gesellschaften nicht bloß in Sklavenhalter und Sklaven. Es gab unzählige Schattierungen: Lebensbedingungen und auch Status von Sklaven waren unterschiedlich, und entsprechend viele Sklaven gab es, die sich nicht den Aufständischen anschließen mochten. Zweitens, und das wog noch schwerer, konnten Führer, auch wenn sie Charisma besaßen und sich zu „Königen“ von hellenistischem Format aufwarfen, ihren Gefolgsleuten keine dauerhafte Perspektive weisen. Allenfalls vermochten sie die Römer so lange es ging hinzuhalten, an der finalen Niederlage schien kein Weg vorbeizuführen. Aus den Fehlern seiner Vorgänger sollte später der Anführer der dritten großen Sklavenrevolte, welche die römische Welt innerhalb weniger Jahrzehnte erschütterte, seine Lehren ziehen: Spartacus. Dieser Aufstand aber, der Rom in eine ernste Krise stürzte, ging nicht von den Sklavenmassen der sizilischen Latifundien, sondern von einer Gladiatorenkaserne in Capua aus (73–71 v. Chr.).
    Just während Spartacus Italien verheerte, amtierte in Syrakus ein gewisser Gaius Verres als römischer Propraetor. Wir wüssten über diesen Mann kaum etwas, hätte nicht Cicero, einer der produktivsten Literaten des Altertums, ihn |81| 71 v. Chr. vor dem Repetundengericht – einem

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