Sizilien - eine Geschichte von den Anfaengen bis heute
Aufbau der Villa und die Ausführung der Mosaike, an denen – neben vielleicht stadtrömischen – auf jeden Fall nordafrikanische Werkstätten arbeiteten. Dekor, Ikonographie und Motive der Mosaike wurden wohl ursprünglich auf dem italischen Festland entwickelt, gelangten dann aber über Nordafrika nach Sizilien. Die Faszination dieser Bilder macht immer wieder ihr Sitz im Leben antiker Menschen aus: Die berühmten Bikinimädchen, eine Liebesszene im Mittelpunkt eines prachtvollen Schlafzimmers, die Darstellung von Kindern bei der Jagd und beim Nachspielen von Wagenrennen verfehlen noch heute ihre Wirkung auf kaum einen Betrachter.
Pracht und Größe des Villenkomplexes und die Prägnanz der Afrika-Thematik haben Spekulationen über den Besitzer der Anlage ins Kraut schießen lassen. War es der Tetrarch und Westkaiser Maximian, wie man lange Zeit vermutete? |86| Dagegen sprechen die späte Entstehungszeit der Mosaike und auch die Tatsache, dass mittlerweile mehrere ähnlich ausgestattete
villae rusticae
auf Sizilien entdeckt wurden. Gehörte sie einem mächtigen Mann wie dem Stadtpräfekten Gaius Ceionius Rufius Volusianus, der Anfang des 4. Jh. weitläufige Ländereien in Afrika besaß und zu dessen Aufgaben es gehörte, Spiele in Rom auszurichten? Wir werden es kaum je erfahren, auch wenn vielleicht der Besitzer in Gestalt eines älteren Mannes auf der „Großen Jagd“ dargestellt ist. Sicher ist, dass sich in Bauten wie der Villa Casale von Piazza Armerina Reichtum und Bedeutung Siziliens in der beginnenden Spätantike niederschlugen. Ebenso zweifelsfrei manifestierte sich in ihr die Stadtflucht spätrömischer Eliten, die sich in die Isolation immer luxuriöserer Landsitze zurückzogen, die vielfach auch zu Zentren wirtschaftlicher Aktivitäten wurden. Die andere Seite der Medaille waren, zumal im Westen des Römischen Reiches, verödende Städte, die von den großen, unabhängig von urbanen Märkten wirtschaftenden Villen regelrecht überflüssig gemacht wurden.
Villa del Casale, Bikinimädchen, Mosaik aus einem Raum südlich des Rechteckperistyls in der Villa del Casale
|87| VII Neue Herren
Roms Herrschaft über den Mittelmeerraum war über 200 Jahre lang praktisch unangefochten geblieben. Im 3. Jh. n. Chr. durchlitt sie eine erste, schwere Krise: Die Perser im Osten und die germanischen Völkerschaften im Norden durchbrachen immer wieder die römische Grenzverteidigung; das politische System des Prinzipats, der von Augustus geschaffenen Monarchie, geriet in die Schieflage. Gegen Ende des Jahrhunderts stabilisierte sich die Lage, doch bald gerieten die Stämme im Barbaricum erneut in Aufruhr. Die Völkerwanderung hatte begonnen. 378 v. Chr. besiegte ein gotisches Heer die römische Armee unter Kaiser Valens bei Adrianopel. Bald brachen alle Dämme: Germanische Stämme siedelten, ohne dass sie jemand hindern konnte, auf Dauer auf römischem Reichsboden. Während Ostrom bald zu seiner staatlichen Integrität zurückfand, zerfiel die Westhälfte des Imperiums in einen Flickenteppich barbarischer Nachfolgestaaten.
Vandalen und Ostgoten
Sizilien lag zunächst weitab vom Geschehen. Während die politische und militärische Krise des 3. Jh. auch den wirtschaftlichen Niedergang einiger Regionen des römischen Westens einläutete, florierte die Mittelmeerinsel wie eh und je. Die Situation änderte sich jedoch fundamental, als Geiserich, König der zu dieser Zeit in der Baetica, dem Süden Spaniens, ansässigen Vandalen, 429 n. Chr. mit 80 000 Angehörigen seines Volkes die Straße von Gibraltar überquerte und den größten Teil Nordafrikas, der Kornkammer des westlichen Imperiums, in Besitz nahm. Seither waren auch die Kernterritorien des Reiches, Italien und die großen Inseln, vor dem Zugriff der nautisch versierten Barbaren nicht mehr sicher. Rom bekam dies 455 zu spüren, als die Vandalen die alte Hauptstadt einnahmen und plünderten.
|88| Sizilien war zu diesem Zeitpunkt bereits Teil des Geiserich-Reiches. Der Verlust zweier afrikanischer Provinzen hatte den Wert Trinakrias für die römische Seite immens gesteigert: Die Insel, die immer wieder das Ziel vandalischer Plünderkommandos war, musste den Ausfall afrikanischer Getreidelieferungen kompensieren, von denen noch immer die Großstadt Rom und weite Teile Italiens abhingen. Außerdem war Sizilien das ideale Sprungbrett, um Nordafrika zurückzuerobern. Tatsächlich sammelte hier Aëtius, der weströmische Heermeister, im Herbst 440 ein
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