Sizilien - eine Geschichte von den Anfaengen bis heute
Sondergericht, das in Strafsachen gegen römische Amtsträger zuständig war, die Übergriffen gegen die Provinzialbevölkerung beschuldigt wurden – der Korruption angeklagt. Angerufen hatten Cicero lokale Honoratioren, mit denen der aufstrebende Anwalt freundschaftliche Beziehungen pflegte, seit er selbst als Quaestor in Lilybaion Dienst getan hatte. Ciceros drei Reden gegen Verres sind überliefert, obwohl sie nie gehalten wurden. Der Angeklagte ging, angesichts einer erdrückenden Beweislast, freiwillig ins Exil nach Massilia (Marseille).
Was wurde Verres zur Last gelegt? Er soll bestochen, betrogen, geplündert, gemordet, intrigiert und geraubt haben; unter ihm litten römische Bürger Peitschenhiebe, Folter und Mord. All das war im Provinzialregiment der römischen Republik durchaus an der Tagesordnung, aber bei Verres hatte die Schurkerei Methode: Als Statthalter – ein Amt, das er auf Grund seiner guten Vernetzung mit der Anhängerschaft Sullas erlangt hatte – presste Verres die Bevölkerung Siziliens so gnadenlos aus, dass die Provinz, wie Cicero anmerkt, durch ihn schwerere Zerstörungen litt als durch zwei Sklavenkriege. Vor allem bereicherte Verres sich selbst und seine Handlanger. Die zwei Jahre seiner Statthalterschaft sollen ein einziger Beutezug durch Heiligtümer, öffentliche Bauwerke und Privathäuser gewesen sein. Unzählige Kunstwerke wechselten so, auf mehr als zwielichtige Art und Weise, ihren Besitzer. Das Diebesgut landete in Verres’ privater Kunstsammlung in Rom oder wurde an Freunde weiterverschachert.
Verres war fraglos ein ungebührlich schamlos agierendes Exemplar der Gattung Provinzgouverneur. Aber er war doch auch ein typischer Repräsentant des republikanischen Systems: Um in hohe Ämter gewählt zu werden, hatte ein junger römischer Aristokrat Unsummen aufzuwenden. Für seine Auslagen hielt er sich dann als Statthalter in seiner Provinz schadlos: Während die Summe, die eine Provinz jährlich als Tribut an Rom abzuführen hatte, im Voraus festgelegt war, blieb es dem Statthalter überlassen, wie viel er den privaten Steuereintreibern in Rechnung stellte; und die wiederum streckten den Betrag vor und trieben dann so viel ein wie sie konnten. Korruption und Ausbeutung der Provinzialen waren in der Republik unvermeidliche Begleiterscheinungen des Systems.
Deshalb markiert die Zeit des Augustus, des ersten römischen Kaisers, auch für die Provinzen eine kopernikanische Wende: Von Objekten der Ausbeutung durch die stadtrömische Elite wurden sie, Schritt für Schritt, zu Teilhabern an der gesamtmediterranen Zivilisation, für die das römische Imperium stand. Immer mehr Menschen erhielten das römische Bürgerrecht, das jetzt zwar politisch irrelevant war, dafür aber umso prestigeträchtiger. Auch Ritter und Senatoren, die imperialen Eliten, rekrutierten sich zunehmend aus den Provinzen, darunter |82| auch Sizilien. Das augusteische Sizilien war mit rund einer Million Einwohnern, seiner enormen, wenn auch jetzt von Ägypten und Nordafrika noch in den Schatten gestellten agrarischen Produktivität und einer Reihe stattlicher Großstädte eine durchaus wichtige Provinz, wiewohl sie längst befriedet war und fernab der neuen Reichsgrenzen lag.
Sieben dieser Städte waren
coloniae
, mit römischen Bürgern, darunter vielen Veteranen, bevölkerte „Kolonien“: Catina (Katane-Catania), Lilybaeum (Lilybaion-Marsala), Panhormus (Panormos-Palermo), Syracusae (Syrakus), Tauromenium (Tauromenion-Taormina), Thermae Himeraeae (Thermai Himeraiai-Termini Imerese) und Tyndaris (Tindari); acht weitere – Messana (Messene-Messina), Centuripae (Centuripe), Netum (Noto), Agrigentum (Akragas-Agrigent), Segesta, Helaesa (Castel Tusa), Haluntium (S. Marco d’Aluncio) und Lipara (Lipari, auf der gleichnamigen kleinen Insel) – waren provinziale Städte,
municipia
, mit unterschiedlichem Rechtsstatus.
Bevor Augustus freilich Sizilien in Besitz nehmen konnte, musste er es erobern. Zum Erbe seines 44 v. Chr. ermordeten Adoptivvaters Gaius Julius Caesar gehörten versprengte Anhänger von dessen einstigem Rivalen Pompeius Magnus. Einer von ihnen war Sextus Pompeius, der Sohn des großen Pompeius. Er war der Katastrophe der Pompeianer beim spanischen Munda, wo Caesar 45 v. Chr. einen entscheidenden Sieg errungen hatte, entronnen und hatte nach der Ermordung des Diktators Besitz von Sizilien ergriffen. Dort gewährte er nach der Schlacht von Philippi, wo Oktavian (der nachmalige Augustus) und Marcus
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