Sizilien - eine Geschichte von den Anfaengen bis heute
gewaltiges Heer samt Flotte, zu dem auch das Ostreich ein Kontingent beisteuerte. Die Invasionsflotte, die Karthago und die Äcker Nordafrikas zurückgewinnen sollte, stach nie in See: Inzwischen bedrohte der Hunnenkönig Attila das moribunde Reich an seiner weichen Nordflanke; die Vandalen schienen das kleinere Übel – statt Geiserich zu stürzen, schloss man mit dem Barbarenkönig einen Vertrag.
443 eroberte Attila die wichtigen Grenzfestungen Viminacium, Margus und Naissus (Niš) im Donauraum: Konstantinopel war jetzt unmittelbar bedroht, und die Römer zogen in aller Eile auch die Truppen aus Sizilien ab. Wenig später war die Insel – oder doch beträchtliche Teile von ihr – von Geiserich erobert. Fast nichts ist über das vandalische Sizilien bekannt: Die Herrschaft der Germanen dürfte sich aber kaum anders niedergeschlagen haben als in Nordafrika, wo sich für die breite Masse der lokalen Bevölkerung relativ wenig änderte. Steuern flossen nun nach Karthago statt nach Ravenna, aber die germanischen Herren blieben eine dünne, sich im Alltag kaum bemerkbar machende Führungsschicht, die sich auch wegen ihrer Religion – die Vandalen waren arianische Christen, die meisten Sizilianer aber standen fest auf dem Boden des Konzils von Nikaia – nicht mit den Einheimischen mischten. Zur Konversion zwang Geiserich nur die zahlreichen römischen Amtsträger, die praktisch überall das Rückgrat seiner Reichsverwaltung waren.
Sizilien wechselte jetzt mehrfach den Besitzer: 461 gelang einem von West- und Ostrom gemeinsam entsandten Expeditionskorps noch einmal die Rückeroberung der Insel – für wie lange, ist unklar. 476, nach dem Sturz des letzten römischen Kaisers Romulus Augustulus durch den Heermeister Odoaker, übernahm dieser Sizilien gegen die Zahlung von Tributen an die Vandalen. Die Versorgung des inzwischen arg geschrumpften Rom mit Getreide war damit gesichert. Die Nachfolge Okoakers traten 493, nach der Einnahme Ravennas, die Ostgoten unter Theoderich dem Großen an.
Die Ostgoten blieben vierzig Jahre lang und hinterließen kaum Spuren. Ihnen folgten die Byzantiner, deren Feldherr Belisarius Sizilien 535 im Handstreich eroberte. Trinakria war bloßer Nebenkriegsschauplatz in einem weit größeren Ringen, den Gotenkriegen des Kaisers Justinian (527– 565), der von der |89| Idee besessen war, die territoriale Integrität des einstigen römischen Imperiums in vollem Umfang wiederherzustellen. Fast hätte sich sein Traum erfüllt: Die Legionen Konstantinopels eroberten das Vandalenreich (534), endgültig das ostgotische Italien (552) und das südliche Spanien von den Westgoten (552). Drei Jahre nach Justinians Tod allerdings begann das Riesenreich schon wieder zu bröckeln: 568 bereits ging Norditalien an die Langobarden verloren, im 7. Jh. nahmen die Araber Nordafrika in Besitz und die Westgoten Südspanien.
Byzanz
Sizilien indes blieb 300 Jahre byzantinisch, seit dem 7. Jh. als Thema (Provinz) Sikelia, unter einem
strategos
, der seinen Amtssitz in Syrakus hatte und neben Sizilien auch noch Kalabrien und das Herzogtum Neapel verwaltete. Sizilien befand sich damit in einer Scharnierposition zwischen Ost und West: Die Insel war religiös-konfessionell nach Westen hin, zum Papst, orientiert, der seit dem 5. Jh. auch über enormen Grundbesitz auf der Insel verfügte – wenngleich auffällt, mit welcher Hartnäckigkeit die Päpste auf Einhaltung der lateinischen Liturgie beharren mussten; zugleich hatte sich die Insel in weiten Teilen ihre griechische Grundprägung bewahrt: Inschriftenfunde vor allem aus dem Osten zeigen, dass die epigraphische Kultur Siziliens noch in der Spätantike praktisch flächendeckend griechisch war. Agrigentum hatte am Ende des 6. Jh. einen griechischen Bischof. Im 7. Jh. nahm Sizilien obendrein Flüchtlinge aus dem von den Arabern eroberten, zuvor aber stark byzantinisierten Nordafrika auf, die den griechischen Einfluss noch weiter verstärkt haben dürften.
661 bezog sogar für einige Jahre ein byzantinischer Kaiser, Konstans II., seine Residenz in Syrakus – erklärtermaßen, um das von Justinian begonnene Werk der
recuperatio imperii
zu Ende zu führen; womöglich aber nur, um seine kaiserliche Person vor den Arabern in Sicherheit zu bringen, deren Offensive im Osten nicht zum Stillstand zu kommen schien. 668 bereits wurde er von Rebellen ermordet, und sein Nachfolger kehrte nach Konstantinopel zurück. Konstans hatte, bevor er seine Residenz in Syrakus bezogen
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