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Sizilien - eine Geschichte von den Anfaengen bis heute

Sizilien - eine Geschichte von den Anfaengen bis heute

Titel: Sizilien - eine Geschichte von den Anfaengen bis heute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Reinhardt , Michael Sommer
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großräumiger Herrschaftsbildung vollends illusorisch erscheinen ließ. Langobardische Herzöge, lokale Adelsdynastien, aristokratisch dominierte „Seerepubliken“ wie Gaeta und Amalfi und reiche Abteien mit ausgedehntem Grundbesitz standen den sporadisch intensivierten Anstrengungen der kaiserlichen Amtsträger, ihren Einflussbereich in Apulien und Kalabrien zu erweitern, unüberwindlich entgegen. Arabische Militärexpeditionen über die Straße von Messina aufs Festland nutzten das Fehlen einer starken Zentralgewalt aus und verstärkten das Chaos. Doch nicht nur die faktischen Herrschaftsbestrebungen, auch die Herrschaftsansprüche kreuzten sich vielfältig. Im Zuge dieser ideologischen Konkurrenz traten neben dem
basileus
in Byzanz der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, der sich als wahrer Erbe des römischen Imperiums verstand, und der Papst auf den Plan. Am Anfang des 11. Jh. hatten sich die beiden christlichen Universalgewalten darauf geeinigt, die süditalienischen Territorien als Kondominat, das heißt als gemeinsames Herrschaftsgebiet, anzusehen, doch konnte ein solches Übereinkommen nicht zuletzt aus römischer Sicht nur ein Kompromiss auf Zeit sein. Das Papsttum forderte seit Gregor VII. mit äußerster Schroffheit den doppelten Primat, die uneingeschränkte Hoheit nicht nur über die Kirche, sondern auch über die christlichen Herrscher und in diesem Zusammenhang auch das Recht, diese bei moralisch ungenügender Amtsführung abzusetzen und neue, gefügigere Monarchen zu inthronisieren. Eine der Grundlagen für diese Suprematie-Bestrebungen war die sogenannte Konstantinische Schenkung, wonach Kaiser Konstantin bei seiner Taufe im 4. Jh. dem Pontifex maximus als Statthalter Christi auf Erden nicht nur die |94| Oberhoheit über das Imperium insgesamt, sondern auch ganze Staaten, darunter Süditalien mit Sizilien, als eigene Herrschaftsgebiete übertragen habe. Umso mehr setzten es sich die Päpste zum Ziel, „ihre“ Insel von der Unterdrückung durch die „Ungläubigen“ zu befreien.
    Und um 1050 zeichnete sich auch ab, welche politische Kraft diese heiß ersehnte Rückeroberung zu bewerkstelligen vermochte. Kurz vor oder nach der Jahrtausendwende waren normannische und bretonische Adelige mit ihrem waffentüchtigen Gefolge erstmals nach Süditalien gezogen – zuerst als Pilger, doch schon bald als Söldner, die in den verworrenen regionalen Kleinkriegen schnell das Zünglein an der Waage bildeten. Dieses militärische Gewicht schlug sich – unvermeidlich in einem so labilen Machtgefüge – über kurz oder lang in Landgewinn und Herrschaftsbildung nieder. Bei deren Anerkennung machte Kaiser Heinrich III. im Jahr 1047 den Anfang, während das Papsttum den ihrer Grausamkeit wegen gefürchteten Parvenüs aus dem Norden anfangs ablehnend gegenüberstand. Nach schweren Niederlagen eines Besseren belehrt, setzte Papst Leo IX. dann allerdings konsequent auf die normannische Karte. Er und seine Nachfolger brauchten in den schweren Kämpfen mit dem römischen Stadtadel und bald auch mit dem Kaiser starke Verbündete. Sie fanden diese in zwei Brüdern: Robert Guiscard („Schlaukopf“) und Roger aus der kleinadeligen Familie Hauteville (Altavilla). Diese und weitere Mitglieder der aus der Gegend von Coutance stammenden Sippe hatten sich innerhalb der Neuankömmlinge aus dem Norden schnell als Führungskräfte profiliert und etabliert. Das galt vor allem für Robert, der sich seinen Beinamen durch politische Weitsicht und Skrupellosigkeit gleichermaßen redlich verdient hatte und noch zu Lebzeiten zur Legende wurde.
    Ihn ernannte Papst Nikolaus II. in weiser Voraussicht denn auch 1059 zum Herzog von Apulien und Kalabrien. Verbunden mit dieser Anerkennung war, wie die lateinische Belehnungsformel zeigt, ein Auftrag: „Dei gratia et sancti Petri dux Apulie et Calabrie et utroque subveniente futurus Sicilie“. Das hieß, der neue Herr des süditalienischen Festlands wurde zur Eroberung Siziliens in nächster Zukunft verpflichtet, wobei ihm, wie es der Pontifex maximus optimistisch ausdrückte, Christus und Petrus gleichermaßen zur Seite stehen würden. So verbindlich dieser Eroberungsbefehl an den charismatischen Normannenführer zur Legitimierung von dessen Herrschaft auch erging, so führte er ihn schließlich doch nicht selber aus, sondern reichte ihn weiter: an seinen jüngeren Bruder Roger, der 1055 im Sinne des Familiennachzugs nach Süditalien, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, gekommen

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