Sizilien - eine Geschichte von den Anfaengen bis heute
hatte, den Konflikt mit dem Papsttum durch die zeitweise Verhaftung Papst Martins I. so weit eskalieren lassen, dass jetzt der gesamte Klerus Italiens – auch Siziliens – geschlossen gegen Byzanz stand. Der Bilderstreit seit 726 trug nicht zur Beruhigung der Gemüter bei. Die einzige Antwort, die Byzanz auf die zunehmenden religiösen Differenzen zwischen Ost und West einfiel, war die massive Verstärkung seiner Militärpräsenz auf Sizilien, das auch immer mehr die Funktion eines Vorpostens gegen die Araber hatte.
|90| Dom von Syrakus, seit dem 7. Jahrhundert unter Einbeziehung des Athenatempels aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. in byzantinischem Stil errichtet.
Die hatten Anfang des 8. Jh. eine Reihe von Raub- und Plünderungszügen gegen Sizilien unternommen, aber in der zweiten Jahrhunderthälfte war die Insel vorläufig zur Ruhe gekommen. Die byzantinischen Gouverneure schlossen sogar – möglicherweise, ohne Konstantinopel zu konsultieren – Verträge mit den aghlabidischen Herrschern Tunesiens ab. Hatten religiöse Ressentiments und Misswirtschaft die byzantinische Position auf Sizilien um 800 bereits hinreichend unterminiert, so kam den Arabern am Ende doch der Zufall zu Hilfe: Ein zuvor von Konstantinopel geächteter Flottenbefehlshaber entfachte 827 auf der Insel eine Revolte, schlug den byzantinischen
strategos
und rief sich selbst zum Kaiser aus. Zu Hilfe rief er ausgerechnet den aghlabidischen Emir, der prompt eine große Streitmacht landen ließ. Jahrzehnte tobten nun die Kämpfe um Konstantinopels westlichen Vorposten; einzelne Festungen, wie Taormina, hielten |91| sich noch bis ins 10. Jh. – doch war mit dem Fall von Syrakus 878 das Ende der byzantinischen Herrschaft praktisch besiegelt.
Die Araber
Nach endlosen Kämpfen war Sizilien ein ausgeblutetes, verarmtes Land. Neue Herren und alte, einheimische Eliten machten sich gegenseitig den Besitz von Grund und Boden streitig. Die Araber brannten Wälder ab und fällten viele Bäume, um das Holz nach Nordafrika zu verschiffen. Doch relative Toleranz, auch in kulturellen Dingen, eine vernünftige Steuerpolitik und die Teilhabe am Fernhandel der nun weiten islamischen Welt legten das Fundament für den Wiederaufstieg der bald rapide sich islamisierenden Insel. Die Konversion der sizilischen Christen erfolgte nicht auf direkten Druck, eher durch subtile Diskriminierung und den Anreiz, durch Übertritt zum Islam ins Lager der Sieger zu wechseln. Das Zentrum wanderte vom Osten in den Westen: Anstelle von Syrakus war nun Palermo konkurrenzlose Hauptstadt Siziliens. Dem aus Mesopotamien stammenden Missionar und Reisenden Ibn Haukal kamen die Palermitaner im 10. Jh. zwar noch immer reichlich provinziell vor, doch immerhin bestaunte er die Moscheen, die zu Hunderten das Stadtbild schmückten. Auch die Landwirtschaft erlebte, dank raffinierter Bewässerungsverfahren, im arabischen Sizilien eine Blütezeit. Noch heute finden sich Zisternen und Wassertürme aus arabischer Zeit.
An die Stelle der tunesischen Aghlabiden traten im 10. Jh. die Fatimiden, die, von Westen kommend, nach und nach den gesamten Maghreb ihrer Kontrolle unterwarfen. Unter ihrer Suzeränität erlangte Sizilien ein hohes Maß an Autonomie. 948 hatten die Fatimiden, die in Nordafrika alle Hände voll zu tun hatten, Hassan al-Kalbi zum Statthalter in Palermo ernannt, der die Stadt zu einer prachtvollen Residenz ausbaute. Seine Nachfahren, die Kalbiden, herrschten als Emire über ein feudales, von Nordafrika immer stärker isoliertes Sizilien. 1037 gelang den Arabern unter Aufbietung aller Kräfte noch die Abwehr einer byzantinischen Invasionstreitmacht, die der General Georgios Maniakes anführte. Maniakes hatte bereits ganz Ostsizilien erobert, als er von Konstantinopel zurückbeordert wurde. Doch der Ruf vom sagenhaften Reichtum Siziliens verbreitete sich allzu rasch in der übrigen Welt: Während die Macht der Kalbiden gerade in einem Prozess der Feudalisierung zerfiel, nahm 1061 der Normanne Robert Guiscard Messina. Elf Jahre später hatte er Palermo erobert – das arabische Sizilien war Geschichte.
|93| VIII Eroberer aus dem Norden
Zu Beginn des neuen Jahrtausends schien die muslimische Herrschaft über Sizilien konsolidiert. Die Versuche der byzantinischen Kaiser, die Insel zurückzugewinnen, erwiesen sich als aussichtslos. Und auch ihre Machtbasis in Süditalien bröckelte zunehmend. Ja, hier bildete sich eine politische Gemengelage heraus, die jede Art von
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