Sizilien - eine Geschichte von den Anfaengen bis heute
Spielball der Mächte
1266 verlor Manfred bei Benevent gegen Karl von Anjou Schlacht und Leben. Zwei Jahre später bestieg sein Neffe Konradin das Schafott in Neapel. Mit vereinten Kräften hatten die Päpste und der neue starke Mann des Südens das Schlangennest in Palermo ausgeräuchert. Froh wurden Clemens’ Nachfolger ihres übermächtigen Verbündeten dennoch nicht. Zum einen reichte der lange Arm des neuen Königs von Sizilien bis nach Rom, wo seine Gefolgsleute den Päpsten das ohnehin schon mühsame Regieren vollends schwer machten. Und zum anderen blieb die erhoffte Konsolidierung im ehemals staufischen Herrschaftsgebiet aus. Schlimmer noch: Die „Franzosen“ waren bald als unersättliche Eindringlinge verhasst, die die einheimische Führungsschicht um Besitz und Einfluss zu bringen versuchten. Hinter diesen stereotypen Abqualifizierungen verbarg sich bei nüchterner Betrachtung eine Logik der Herrschaftsbildung, wie sie Sizilien und der Süden nicht zum ersten Mal erlebten: Neue Herren, neuer Adel, neue Güterverteilung, so lautete die Grundformel. Jeder Eroberer war – die Normannen hatten es in der historischen Nullstunde vorgemacht – darauf angewiesen, seinen Anhang in politischen, sozialen und ökonomischen Führungspositionen zu platzieren, um seine Macht zu sichern. Das aber konnte nicht ohne die Enteignung derjenigen abgehen, die mit den alten, jetzt vertriebenen Mächten sympathisiert oder sich den Neuankömmlingen gegenüber als unzuverlässig erwiesen hatten. Dadurch wurde zugleich ein immerwährendes Reservoir an Unzufriedenheit und Revanchebedürfnis geschaffen, das neue Thronprätendenten bei künftigen Eroberungszügen würden nutzen können.
Glaubt man den – keineswegs unparteiischen und daher auch nicht unverdächtigen – sizilianischen Quellen, so vollzog sich der Machtwechsel nach dem Sturz der Staufer in dieser Hinsicht besonders einschneidend. Im Klartext: Die Eroberer kannten weder Erbarmen noch Maß, respektierten weder Traditionen noch gewachsenes Recht und raubten zusammen, was sich irgend erbeuten ließ. |116| In Wirklichkeit stützten sich die neuen Machthaber auf die Städte (wie Messina und Syrakus), wo sie Beistand fanden, und straften die Adelsfamilien mit Beschlagnahmung, die sich dem alten Regime verbunden zeigten. So waren es am Ende auch nicht diese unvermeidlichen Umverteilungen, die die Unzufriedenheit mit der Anjou-Herrschaft schürten, sondern die politischen Direktiven und Maßnahmen des Monarchen insgesamt. Diese enttäuschten nicht nur die Hoffnungen des sizilianischen Adels auf mehr Freiräume, sondern standen schließlich dessen Bestrebungen sogar diametral entgegen. Zum einen nämlich bemühte sich Karl von Anjou darum, die zum großen Teil zerronnene Domäne wieder zusammenzubringen, das heißt: vom Adel usurpierte Güter wieder der Krone zuzuführen. Zum anderen senkte er nicht, wie erwartet, als Morgengabe für seine Untertanen die Steuern, sondern erhöhte diese sogar. Am schwersten aber fiel für diese ins Gewicht, dass er nicht in Palermo, sondern in Neapel residierte und die Insel als Ganzes dadurch zu einem Nebenland absank. Überdies waren von einem so vornehmen und international vernetzten Herrscher neue Abenteuer auf europäischen Kriegsschauplätzen zu befürchten, für deren Finanzierung das angeblich so sagenhaft reiche Sizilien geradezustehen haben würde.
Aus diesen Gründen sah sich der Adel der Insel beizeiten nach Alternativen um. Als solche brachte sich vor allem König Peter von Aragón ins Gespräch. Zu seinen Gunsten sprach, dass er Manfreds Tochter Constantia, die letzte Erbin der Staufer, geheiratet hatte – so unbeliebt Friedrich II. in seinen letzten Jahren auf der Insel auch gewesen war, jetzt, unter dem Eindruck der „Franzosenherrschaft“, färbte sich die Erinnerung an seine Regierung geradezu golden ein. Auf der anderen Seite lief man Gefahr, vom Regen in die Traufe zu geraten. Warum sollten die Spanier, hatte ihr König erst einmal die Herrschaft inne, bei der Aufteilung von Land und Einfluss rücksichtsvoller vorgehen als die Franzosen? Die Adeligen von der Iberischen Halbinsel waren durch die langen Kämpfe gegen die Mauren eroberungserprobt, die Kaufleute von Barcelona begierig darauf, an die Stelle ihrer toskanischen Konkurrenten zu treten und den lukrativen Handel mit sizilianischem Getreide in eigene Regie zu übernehmen. Auch wenn Vorbereitungen für einen Umsturz zweifellos getroffen waren – wie weit
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