Sizilien - eine Geschichte von den Anfaengen bis heute
der vielen außerhalb Siziliens geführten Kriege. Um die dafür nötigen Geldmittel zu beschaffen, hatte Friedrich II. in Anknüpfung an Roger II. die königlichen Monopole weiter ausgebaut. Alleiniges Vorrecht der Krone waren jetzt nicht mehr nur Zölle sowie Abgaben auf ein- bzw. ausgeführte Waren, sondern sämtliche Handelsgeschäfte mit Primärgütern wie Getreide und Salz. Doch das war pure Theorie. In Ermangelung eines Beamtenstabs, der diese „Staatswirtschaft“ in eigener Regie hätte lenken können, musste sich die Krone auf Großhandelsfirmen aus Genua, Pisa und Florenz stützen. Diese steckten nicht nur hohe Gewinnspannen ein, sondern wurden für die dringend benötigten, kaum jemals zurückgezahlten Kredite auch mit Land und Herrschaftsrechten im Süden entschädigt. Und auch politisch klafften Anspruch und Wirklichkeit immer stärker auseinander. Zwar wurden alle Amtsträger des Königreichs regelmäßig in hochtönenden Verlautbarungen daran erinnert, |111| dass sie alle Kompetenzen allein vom Monarchen erhielten und ihm daher minutiöse Rechenschaftslegung schuldeten, doch begannen sich unter Friedrich II. feudaler Rang und politischer Einfluss zunehmend zu verquicken. Untrügliches Zeichen dafür war, dass die obersten Provinzbeamten (
giustizieri
), den Anordnungen der Zentrale zuwider, zunehmend dem hohen Adel derselben Gegend entstammten. Damit verschoben sich die Loyalitäten der Amtsträger: vom König auf die eigene Klasse, vom Königreich auf die eigene Region. Und es war nur noch ein Schritt, bis aus der königlichen Delegation auf Zeit ein Patrimonium, Generationen übergreifender Familienbesitz, wurde. Dieselben Tendenzen zeichneten sich auch auf lokaler Ebene ab, wo das Amt des
baiulus
gleichfalls zum erblichen Vorrecht der immergleichen Geschlechter absank. Das alles waren Anzeichen dafür, dass sich die Klammer der normannisch-staufischen Monarchie, die die verschiedenen Städte und Regionen zusammengehalten und auf den Mittelpunkt der Monarchie hin ausgerichtet hatte, zu lösen begann. Stattdessen dominierten jetzt – Leitmotiv der sizilianischen Geschichte bis ins 19. Jh. und darüber hinaus – Partikularinteressen von Städten, Korporationen |113| und Clans. Symptomatisch dafür war die Opposition der Städte Messina und Syrakus gegen Friedrich II. Und auch an Adelswiderstand fehlte es in den 1240er und 50er Jahren nicht. Diese Aufstände wurden zwar wie gewohnt blutig unterdrückt, doch wiesen sie zugleich in die Zukunft. Der sizilianische Adel strebte nach Selbstbestimmung in seinen Besitzungen und nach Abschließung gegen außen. Doch bei aller Suche nach Autonomie und Autarkie blieb die Elite auf ein Zentrum ausgerichtet: Sie brauchte einen Schiedsrichter, der für klare Rangverhältnisse in den Reihen der einheimischen Aristokratie sorgte, sich so wenig wie möglich in deren ländliche Herrschaft einmischte und ihr zugleich Glanz und Exklusivität bei Hof verschaffte – ein eigener, auf die Insel beschränkter König ohne politischen Ehrgeiz war in den Augen der großen Familien die ideale Lösung.
|111| Milazzo (Provinz Messina), Lungomare mit Blick auf die unter Friedrich II. begonnene Festung.
|112| 1268, 18 Jahre nach dem Tod Friedrichs II., der in seinem Porphyrsarkophag in der Kathedrale von Palermo ruht, waren die Staufer im Mannesstamm ausgestorben – die Kirche hatte über das „Natterngezücht“ aus Schwaben gesiegt.
|113| Nach Friedrichs Tod konnte sich Manfred, der fähigste seiner Söhne, noch gut anderthalb Jahrzehnte in Süditalien behaupten. In der Zwischenzeit suchten die alarmierten Päpste nach geeigneten Kandidaten für den in ihren Augen seit langem vakanten Thron. Dabei schreckten sie auch vor bizarren Lösungen nicht zurück – so ging die von den Normannen so glanzvoll begründete Königswürde zeitweise an einen achtjährigen englischen Prinzen, der für diesen leeren Titel auch noch viel Geld bezahlt hatte. Doch mit einem solchen Schattenherrscher war Rom nicht gedient. 1265 belehnte der französische Papst Clemens IV. Karl von Anjou aus einer Seitenlinie des französischen Königshauses mit dem Königreich Sizilien. Dieser Prinz hatte einen Ruf als tüchtiger Feldherr und skrupelloser Machtpolitiker, dem er schnell alle Ehre machte. Die anlässlich der Verleihung erlassene päpstliche Bulle legte fest, dass kein Kaiser mehr gleichzeitig in Palermo herrschen durfte – eine Regelung, die 254 Jahre Gültigkeit haben sollte.
|115| X
Weitere Kostenlose Bücher