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Sizilien - eine Geschichte von den Anfaengen bis heute

Sizilien - eine Geschichte von den Anfaengen bis heute

Titel: Sizilien - eine Geschichte von den Anfaengen bis heute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Reinhardt , Michael Sommer
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einen, speziell die selbst ernannten Visionäre eines neuen, herrlicheren Reichs im Umkreis von Stefan George war er ein vorurteilsfreier Freigeist und vollendet entfalteter Herrenmensch im Stile der Renaissance, der meteorgleich ein dunkles, von dumpfer Heilsangst gepeinigtes Zeitalter erleuchtete und dann verglühte. Marxistischen Historikern hingegen galt er als ein uneinsichtiger Reaktionär, der gegen die „progressiven“ Kräfte der italienischen Stadtkommune die finstere, abgetane Feudelherrschaft zu behaupten versuchte. Kaum weniger einseitig als Mythos und Gegenmythos stellt sich die ab den 1980er Jahren aufgekommene radikal revisionistische Position dar: Friedrich II. als ein mittelalterlicher Herrscher unter anderen, um nicht zu sagen: unter ferner liefen. Umso mehr bietet es sich an, zu differenzieren: zwischen den persönlichen Eigenschaften, der Selbstdarstellung, dem Regierungsstil, den politischen Zielen und den bei deren Umsetzung zu verzeichnenden Ergebnissen, nördlich der Alpen, im festländischen Italien und auf der Insel.
    Hochgebildet, in den verschiedenen Kulturen seines Königreichs tief verwurzelt, verfolgte der glänzendste Herrscher in der Geschichte Siziliens eigenständige |109| intellektuelle Interessen, die in seinem berühmten Buch über die Kunst, mit Vögeln zu jagen, einen durch genaue Beobachtung und stringente, auf Versuch und Analyse beruhender Methodik faszinierenden, die Grenzen des Zeitalters allerdings keineswegs sprengenden Niederschlag fanden. Doch prägte nicht nur das herrscherliche Interesse an lateinischer, griechischer und arabischer Gelehrsamkeit das höfische Leben, sondern auch und vor allem ein immer sorgfältiger ausgearbeitetes Zeremoniell, das den König durch kunstvolle Distanzierung und fortschreitende Ritualisierung speziell des Mahls, der Audienzen und der Gesetzgebung mit einer geradezu religiösen Aura umgab. Diesem neuartigen Personenkult entsprach die Selbstdarstellung in Wort und Bild. Die Dekrete Friedrichs II. beschwören in hochfahrender, an den Stil altrömischer Imperatoren gemahnender Sprache eine uneingeschränkte, ja absolute Gewaltenfülle, die als unmittelbar von Gott verliehen und keiner menschlichen Instanz Rechenschaft pflichtig ausgegeben wird. Denselben Anspruch verdeutlichten die Hofbildhauer und -architekten. |110| Sie fertigten Statuen und Porträts des Königs an, die – auf der Höhe des in Städten wie Florenz und Siena ausgebildeten Stils – in Anlehnung an Bildwerke der augusteischen Zeit die einzigartige, über alle Mitregierungsansprüche von Adel und Kirche weit herausgehobene Stellung des Herrschers als Stellvertreter Gottes auf Erden verklären.

    |109|  Die Burgen Friedrichs II. (siehe auch S. 111) sind Wehr- und Repräsentationsbauten zugleich: So unüberwindlich wie diese Mauern sollten sich Untertanen und Feinde auch die Macht des Herrschers vorstellen. Castello Ursino, 1229 begonnen.
    |110| Damit trat der Kaiser und König von Sizilien in eine gefährliche Konkurrenz zum Papsttum, dessen erbitterte Feindschaft ihm die längste Zeit seiner Regierung hindurch denn auch sicher war. Im jahrzehntelangen kalten, zeitweise auch mit Waffengewalt ausgetragenen Krieg griffen die römischen Publizisten die in Sizilien zirkulierenden Gerüchte, dass Friedrich II. die drei großen Weltreligionen als einen einzigen Betrug bezeichnet habe, begierig auf und stilisierten ihn zum Antichristen – apokalyptische Töne im Dienste der Kurie, der die königliche Kanzlei in Palermo in ihren Entgegnungen nichts schuldig blieb. Erbitterte Kämpfe trug der Staufer-Normanne auch in Nord- und Mittelitalien aus, wo er die seit längerem nur noch nominelle Hoheit des Reiches zu einer faktischen Herrschaft über die Kommunen und das von ihnen dominierte Umland zu erneuern versuchte. Trotz großer militärischer Anfangserfolge war dieses Unterfangen Friedrichs II. schließlich zum Scheitern verurteilt, wie sich auch in der Auseinandersetzung mit der Kurie am Ende die Waagschale zu seinen Ungunsten neigte. Doch konnte sich das „Wunder der Welt“, als welches ihn seine Parteigänger verherrlichten, in seinem Stammland Sizilien bis zu seinem Tod im Dezember 1250 behaupten.
    Dessen ungeachtet wirkten die weit ausgreifenden, in mancher Hinsicht überdehnten Unternehmungen auf die Insel zurück: Sie hatte den Preis dafür zu bezahlen, ja, sie sah sich dadurch zunehmend überlastet, wenn nicht erdrückt. Das betraf nicht zuletzt die Finanzierung

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