Skagboys 01
nach den großflächigen Riots von 1981 auftrat, die in vielen ärmeren Gegenden Großbritanniens aufloderten und besonders in Brixton und Toxteth für großes Medienecho sorgten.
Wenn es kommt, dann …
J aney kann nicht sagen, dass sie nicht gewarnt worden wäre. Man muss schon auf dem Mars leben, um nicht mitzubekommen, dass die Tories vor einiger Zeit damit begonnen haben, jeglichen Leistungsmissbrauch extrem hart zu bestrafen. Und so statuiert das Gericht ein Exempel an ihr. Nachdem der Richter die sechsmonatige Haftstrafe verhängt hat, erklärt er, dass es einzig und allein die »tragischen Umstände der Angeklagten« waren, die ihn zu Milde im Strafmaß veranlasst hätten. Obwohl man es vermuten könnte, ist es nicht derselbe Richter, der den Mörder ihres Ehemanns mit einer Geldstrafe davonkommen ließ.
Dieser panische Ausdruck in ihrem Gesicht, als sie abgeführt wird – wie ein Rind auf dem Weg zur Schlachtbank! Sie fleht den Richter an, beschwört diese versteinerte Fratze, etwas Mitleid zu zeigen und Gnade walten zu lassen. Ihr Rechtsbeistand, diese mit Janeys Verteidigung beauftragte Gutmenschvegetarierin, schaut fast ebenso traumatisiert drein wie die Verurteilte selbst. Insgeheim plant sie wahrscheinlich schon ihre Karriere in Unternehmensrecht. Maria, die neben mir sitzt, verschüttet abermals heiße Tränen und will das alles nicht wahrhaben. — Die können doch nich … die können doch nich einfach …, stammelt sie fassungslos. Ihre Tante, Janeys Schwägerin Elaine – eine dünne, anämische Frau, die wie ein stumpfes Küchenmesser aussieht –, trocknet ihre Augen mit einem Taschentuch. Glücklicherweise muss Grant, ebenso wie bei Dicksons Prozess, dieses Trauerspiel nicht miterleben. Er wurde für die Zeit der Verhandlung bei Janeys Bruder Murray in Nottingham untergebracht.
Ich hätte niemals gedacht, dass die Sache so ausgehen würde, und bebe förmlich, als ich die geschockte Maria und ihre Tante Elaine in einen Pub namens Deacon Brodie’s Tavern auf der Royal Mile führe. Die Kneipe ist wie ein Nebengebäude des Gerichts. Nur ein paar Türen weiter gelegen, versammeln sich hier nicht nur jede Menge Kleinkriminelle und ein paar versprengte Rechtsanwälte. Auch die obligatorische Handvoll Touristen, die sich insgeheim fragt, wie in Herrgottsnamen sie in einem solchen Schuppen landen konnte, gehört zur Stammklientel.
Ich bestelle für Elaine und mich ein paar Whisky und für Maria eine Cola. Zu unserer Überraschung kippt die Kleine im Handumdrehen einen der Kurzen weg.
— Was soll das, Maria? Eigentlich dürftest du noch nich mal hier sein, mahne ich und schaue mich dabei in dem Pub um, während Elaine irgendetwas Bedeutungsloses in ihrem East-Midlands-Akzent brummt.
Maria scheint vor Wut zu kochen und sitzt kerzengerade auf einem Stuhl mit hoher Lehne. — Ich geh nich wieder nach Nottingham. Ich bleib hier!
— Maria … Liebes … komm mit nach Not-ink-goom, fleht Elaine.
— Ich hab dir doch gesagt, dass ich hierbleibe!, erwidert Maria, das leere Glas in der verkrampften Hand. Ihre Fingerknöchel sind so weiß, man könnte fast meinen, dass sie es zerquetschen will.
— Lass sie ein paar Tage hier. Ich bring sie bei meiner Mutter unter, bitte ich die besorgte Tante. Dann füge ich leise hinzu: — Wenn sie sich ein bisschen beruhigt hat, bequatsche ich sie, dass sie sich in den Zug setzt und zu euch kommt.
In den leblosen Knopfaugen von Janeys Schwägerin macht sich ein Funkeln breit. — Wenn’s dir nichts ausmacht … Über zeugungsarbeit sieht anders aus. Kein Wunder eigentlich, schließ lich will ich ihr ja nich gerade Doppelglasfenster für ihre Barratt-Buchte aufschwatzen. Kann mir auch nich vorstellen, dass Maria bei ihrem letzten Besuch in Nottingham ein besonders liebenswürdiger oder gar dankbarer Gast gewesen ist. Wie auch immer, wird langsam Zeit, hier zu verschwinden.
Als wir über den Mound rüber zur Princes Street gehen, lässt Maria alles raus. Sie heult Rotz und Wasser und verflucht dabei wieder und wieder Dickson. Die Passanten werfen uns verstohlene Blicke zu. Wir begleiten die dürre, anämische Elaine zum Busbahnhof, wo sie in einen National Express Richtung Nottingham krabbelt. Als der Bus wegfährt, steht Maria in der Bahnhofshalle, die Arme vor ihrem Brustkorb verschränkt, und schaut mich an, als wolle sie sagen: »So. Und was jetzt?!«
Ich beschließe, sie nicht in der Wohnung meiner Mutter abzuliefern – keine Ruhe wegen des kürzlichen
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