Skagboys 01
Turkey. Bäng! Stoff kostet aber Geld. Bäng!
Marias Lippen kräuseln sich nach außen, sie dreht sich von ihm weg. Er schaut auf ihre elfenartige Figur und spürt, wie sich durch den Suchtdruck hindurch sein Gewissen meldet. Es dämmert ihm, dass sie noch nicht bereit dafür ist, auf der Straße anzuschaffen. — Okay, okay, okay, Baby, geh einfach wieder nach Hause. Ich werd schauen, dass ich jemanden finde, um ein bisschen Party zu machen.
— Liebst du mich noch?, fragt sie ihn.
— Natürlich tu ich das. Er nimmt sie in die Arme und spürt mit Genugtuung, dass sein Schwanz hart wird. Er will sie, glaubt sie zu lieben. Wenn sie bloß anders wären, wenn er bloß anders wäre … — Geh einfach zur Wohnung und warte da auf mich, okay?
Als Maria davontrottet, schaut ihr Sick Boy eine Weile hinterher. Ihm fällt auf, dass ihr Gang mit zunehmender Distanz beschwingter und selbstsicherer wird. Fast hat er den Verdacht, dass sie ihn die ganze Zeit verarscht. Glaubte sie denn wirklich, dass er mit ihr zusammen einen Ex-Bullen umlegen würde? Wenn er Männer für sie anschleppte, bestand das größte Problem darin, dass sie sich verdammt schnell ihrer Macht über diese Kerle bewusst wurde. Vor ein paar Tagen erst hatte sie den fetten Caldwell in den Wahnsinn getrieben. Einem einfältigen Tropf wie dem brauchte sie nur kurz ihre süße junge Pussy zu zeigen, um dann alles und noch viel mehr von ihm zu verlangen. Es könnte schwer werden, sie unter Kontrolle zu behalten.
Er läuft ein bisschen in der Gegend umher, den Kopf voller wirrer Gedanken. Im Woolworth auf dem Foot of the Walk weist ein kitschiges Schild mit Glitzerrand darauf hin, dass nur noch einundzwanzig Einkaufstage bis Weihnachten bleiben. Unter dem Vordach des Kirkgate Shopping Center entdeckt er durch den Nieselregen hindurch eine zitternde Figur mit dunkelblauem Wrangler-Kapuzenpulli und weiß sofort, dass es Spud Murphy sein muss.
— Haste Stoff?, fragen sich beide gleichzeitig zur Begrüßung.
— Nee, sagt Spud, und auch Sick Boy schüttelt verneinend den Kopf.
— Hab dich vorhin mit der kleinen Marie gesehn, meint Spud. Mit seinem langen, kreidebleichen Gesicht und der Kapuze wirkt er wie ein alter Priester.
— Lass mich bloß mit der zufrieden. Dumme kleine Schlampe. Denkt, dass wir mit Blowjobs fürn Fünfer über die Runden kommen. Hat absolut keine Ahnung, wie’s läuft. Dabei sind alle geil auf enge Pussys und knackige Ärsche. Könnte ein verdammtes Vermögen machen, aber sie kriegt es einfach nicht auf die Reihe. Ich bin einfach zu soft. Das war schon immer mein Problem.
Vergiss Maria, denkt sich Sick Boy. Wenn es ein wirklich unschuldiges Opfer gibt, dann Spud. Er ahnt, dass Danny seine ätzenden Tiraden gerade als Junk-Stress-Fantasien abtut und sie in seinem Kopf geschickt in irgendwas Akzeptables umdeutet. Fast kann er Spuds inneres Mantra von Welpen, Kätzchen und kleinen Häschen hören, mit dem er die gehässigen Kommentare über Maria in den Hintergrund drängt. Für den Bruchteil einer Sekunde wünscht er sich, wie Spud sein zu können. Dann kommt aber etwas in ihm auf, das diesen Gedanken zerstört.
Die Freunde gehen ein Stück zusammen, aber der Regen wird stärker und ist schließlich so nervend, dass sie sich vor einem Teppichladen unter der Brücke auf dem Walk unterstellen müssen. — Die reißen sie bald ab, sagt Spud und schaut dabei nach oben. — Die Brücke, verstehste? Is die alte Strecke raus aus Leith Central Station.
— Dann steht’s jetzt endgültig fest: Kein Entkommen mehr aus dieser Rattenfalle!
Ein beleidigter Gesichtsausdruck mischt sich in Spuds gespannte Züge. Sick Boy weiß nur zu gut, wie sehr Danny es hasst, wenn andere Leute über Leith herziehen. Besonders dann, wenn sie selbst Leither sind. Doch Spud ist verzweifelt, durchgefroren und vollkommen abgebrannt, und so geht er nicht auf die Schmähung ein, sondern kommt ohne Umwege zum Punkt: — Haben mich heute aus meiner Bude geschmissen.
— Hmm. Nich so toll …
Spuds Augen machen nun selbst den jämmerlichsten Disney-Figuren Konkurrenz: Riesengroß und mit einem verzweifelten Leuchten betteln sie um Hilfe. — Hatte nur überlegt … na ja … ich meine, vielleicht könnt ich ja bei dir pennen? Nur für ein paar Tage, verstehste, bis ich wieder auf die Füße komm, quasi …
Sick Boy händigt ihm hilfsbereit die Schlüssel zu seiner Wohnung aus, was Spud sichtlich überrascht. — Klar kannste bei mir unterkommen, Kumpel. Jederzeit.
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