Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Skagboys 01

Skagboys 01

Titel: Skagboys 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
Vom Netzwerk:
zu sein wie das Ehepaar selbst. Das Schweigen seiner Frau schmerzte Davie mehr als ihr Schluchzen und ihre qualvollen Selbstgespräche. Er stand im Türrahmen, kratzte mit den Fingern den Lack vom Holz und dachte darüber nach, wie sehr seine Familie über Klein Davie miteinander kommuniziert und interagiert hatte. Jetzt war er von ihnen gegangen, und alles hatte sich verändert: Billy – arbeitslos und unfähig, sich nach seiner Entlassung aus der Armee ins zivile Leben zu integrieren – hatte Ärger mit der Polizei, und über Marks Treiben in London wollte Davie gar nicht erst nachdenken.
    Sein zweitältester Sohn war zu einem Fremden für ihn geworden. Als Kind schien der wissbegierige, folgsame und mit Intelligenz und Gelassenheit gesegnete Mark die hervorstechenden Charakterzüge seiner Eltern in sich zu vereinen. Allerdings war sein Wesen seit jeher von einem eigensinnigen, aufsässigen Element geprägt. Mark besaß nichts von Billys augenscheinlicher Aggressivität, sondern fiel öfter durch eine gewisse Wesenskälte auf. Er hatte eine eigenartige Beziehung zu Klein Davie und schien gleichermaßen abgestoßen und fasziniert von seinem kleinen Bruder zu sein. Im Jugendalter war zu seiner Geheimniskrämerei ein täuschendes und berechnendes Element hinzugekommen. Davie Renton hatte optimistischerweise daran geglaubt, dass alle Menschen im Laufe ihres Lebens an einen Punkt kommen, ab dem sie versuchen, die bestmögliche Version ihrer selbst zu sein. Keiner seiner verbleibenden zwei Söhne war bis jetzt an diesem Scheideweg angekommen. Mittlerweile hoffte er nur noch, dass die beiden noch nicht zu weit vom rechten Weg abgekommen waren, wenn sie diesen Punkt erreichen würden. Es war nicht so, dass er den Ärger nicht verstand, der sich in Billy und Mark aus unterschiedlichen Gründen angestaut hatte. Das Problem war viel eher, dass er ihn nur allzu gut nachvollziehen konnte. Während er den blauen Rauch aus der Zigarette aufsteigen sah, musste er daran denken, wie es in seinem Fall die Liebe seiner Frau Cathy gewesen war, die ihn in dieser Phase auf den rechten Weg geführt hatte und seine Du-kommst-aus-dem-Gefängnis-frei-Karte gewesen war.
    Der Anblick des schmutzigen Geschirrs im kalten Wasser der Spüle erschreckte Davie, und so ging er rüber, griff sich den Schwamm und begann die hartnäckigen Dreckkrusten auf den Tellern und in den Aluminiumtöpfen abzuschrubben. Mit einem Mal spürte er etwas, das er schon seit langer Zeit nicht mehr gespürt hatte: die Arme seiner Frau, wie sie sich von hinten um seine ständig breiter werdende Taille schlangen. — Sorry, Davie, hauchte sie in seine Schulter. — Ich werd versuchen, mich mehr zusammenzureißen.
    — Das braucht Zeit, Cathy. Das weiß ich nur allzu gut, sagte er. Seine Finger fuhren die Adern auf ihrer Haut entlang und drückten zärtlich ihre Hände, als wollte er sie dadurch animieren, weiterzusprechen.
    — Es ist nur …, sie zögerte. — Billy hat Ärger mit der Polizei, und Mark ist unten in London …
    Davie drehte sich herum und löste dadurch die Umklammerung seiner Frau, nahm sie aber gleich darauf wieder in die Arme. Er schaute in ihre großen, gequälten Augen. Das Licht vom Küchenfenster arbeitete einige neue Linien in ihrem Gesicht heraus und ließ die älteren noch tiefer erscheinen als zuvor. Er drückte ihren Kopf an seine Brust, aber nicht nur, um sie zu trösten, sondern auch, weil diese plötzliche Konfrontation mit ihrer Sterblichkeit mehr war, als er im Moment ertragen konnte. — Was ist los, Liebes?
    — Als ich neulich in der Kirche war, um eine Kerze für Klein Davie anzuzünden …
    Davie senior musste sich zusammennehmen, um nicht so wie immer – wahlweise mit verdrehten Augen oder genervtem Schnauben – zu reagieren, wenn Cathy ihm beichtete, dass sie wieder in der St. Mary’s Church gewesen war.
    Cathy hob ihren Kopf und drückte ihr spitzes Kinn in sein Schlüsselbein. Ihr Körper fühlte sich so schwach an im Vergleich zu seinem. — Ich hab den jungen Murphy da gesehen, erklärte sie hustend und löste sich aus seiner Umarmung, um zum Tisch hinüberzugehen und die Zigarette im Aschenbecher auszudrücken. Sie zögerte kurz, zündete sich aber schon einen Moment später mit einem entschuldigenden Schulterzucken eine neue an. — Du hättest sehen sollen, wie erbärmlich er aussah, Davie, ein richtiges Schreckgespenst, nur noch Haut und Knochen. Er nimmt dieses Heroin. Colleen hat’s mir beim Canasta erzählt. Sie hat

Weitere Kostenlose Bücher