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Skagboys 01

Skagboys 01

Titel: Skagboys 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
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war allerdings, dass sie selbst heulte. Dann sagte er kalt: — Nee, damit muss sie allein fertigwerden. Hat genug Freundinnen und Schwestern für diesen Scheiß.
    Alison stand auf. Sie war zu der Einsicht gekommen, dass Leid nur noch mehr Leid hervorrief und Trost das Einzige war, womit sich die Menschen gegenseitig helfen konnten. Ihre Hand schwebte über der angespannten Schulter von Franco, wollte aber nicht so recht auf sie herabsinken. Ihr wurde klar, dass ein jeder von ihnen mit seinen eigenen Schmerzen zu kämpfen hatte und schicksalhaft damit verbunden war. Diese Einsicht erleichterte sie. — Okay, Frank, pass auf dich auf. Wir sehen uns.
    — Aye. Bis bald.
    Sie marschierte den Walk hinauf. Zu sehr in Gedanken vertieft, um die stechende Kälte zu spüren, sah sie doch das Glitzern auf dem Boden und hörte das knackende Geräusch des Frühlingsfrostes unter ihren Füßen. Sie hielt nach dem Nachtbus Ausschau, der sie nach Tollcross zu Johnny Swan bringen würde. Pilrig und das in ihrer Wohnung versteckte Morphin ihrer verstorbenen Mutter waren jedoch um einiges näher. Einem Instinkt folgend, hatte sie die Ampullen an sich genommen. Ihrem Dad hatte sie erzählt, dass sie sie ins Krankenhaus zurückbringen würde, wo ihre Freundin Rachael, eine Krankenschwester, schon wüsste, was damit zu tun sei. Ihr geistesabwesender Vater war dankbar gewesen, dass sich Alison auch dieser Sache angenommen hatte – so wie sie auch den Ämtern den Tod gemeldet, das Krematorium gebucht, die Räumlichkeiten im Docker’s Club für die Trauerfeier und den Leichenschmaus bestellt, die Todesanzeige in die Evening News gesetzt und die alte Kleidung ihrer Mutter zur Wohlfahrt um die Ecke gebracht hatte.
    Der Gehweg füllte sich mit Betrunkenen, die aus den Pubs strömten und dabei ihre Lieder sangen oder Alison hinterherpfiffen. Mit einem Mal hörte sie, wie in einiger Entfernung hinter ihr Gläser zu Bruch gingen und Schimpfwörter ausgetauscht wurden. Einen Moment lang erfüllte eine schreckliche Stille die Luft – nur um wenig später von Schreien zerrissen zu werden, die eher tierischen als menschlichen Ursprungs zu sein schienen. Alison drehte sich nicht um, sondern ging einfach geradeaus weiter. Sie wusste, wer für den Tumult verantwortlich war. Wie ein Gespenst begleitete das gequälte Wesen des bösartigen Begbie sie auf ihrem Weg. Versunken im Schmerz ihres Verlusts, erschien er ihr wie die Stimme des Teufels, die alle anderen Geräusche in den Hintergrund drängte: das Quietschen der Autoreifen, das Rascheln der Bäume, das Gegacker betrunkener Mädchen, das Schimpfen der Männer vor den Pubs.
    Ihre Gedanken wurden von einem Gefühl der Reue verdunkelt – zusammengepresst wie feuchtes, dreckiges Amphetaminpulver in einem kleinen Plastiktütchen. Sie dachte an den Schmerz von June, an den Kopf ihrer toten Mutter, an die Frauen im Poesiezirkel – die aus dem Mädcheninternat eines weit entfernten Planeten entlaufen zu sein schienen – und an die Liebesnächte mit Simon, Alexander und diesem Typen von neulich Nacht aus dem Bandwagon. Andy? Nein, Adam. Für einen Augenblick hatte sie das Gefühl, einfach nur die Augen schließen zu müssen, damit sich ein Muster, ein Anschein von Ordnung in diesem Chaos offenbaren würde, aber sie hatte zu viel Angst, um es zu versuchen.
    Mit Sirenengeheul und Warnleuchte preschte ein Polizeiwagen, gefolgt von einem Krankenwagen, aus der Dunkelheit hervor und rauschte an ihr vorbei den Walk hinunter.

OZEAN

Seebären
    1. Zoll und Verbrauchssteuerbehörde
    Als Sick Boy, mit einem Rucksack bewaffnet, beim Einschiffen seinen Freund Renton anschaut, fällt ihm auf, dass dieser wie eine abgemagerte Junkie-Vogelscheuche par excellence aussieht. Sogar Spud oder Matty haben ein gepflegteres Erscheinungsbild. Während er eilig durch den hell erleuchteten Bereich der Zollbehörde geht, schreit jede Faser in seinem Körper: Der Kerl gehört nicht zu mir! Die Luft ist stickig. Der Gestank alten Schweißes wird vom Mief diverser Billig-Deodorants nicht etwa unterdrückt, sondern eher noch verschlimmert. Der stämmige Zollbeamte, mit Spinnennetz-Tattoo auf dem Handrücken, zieht an seiner Zigarette und gibt sich betont desinteressiert, aber Sick Boy weiß genau, dass er sie im Auge hat. Von nun an wird er jeden Tag durch dieses Gate auf die Fähre gehen müssen und – falls der Deal mit Marriott zustande kommt – hin und wieder ein beachtliches Päckchen Klasse-A-Drogen in seiner verschwitzten

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