Skagboys 01
Anstatt voller Ungeduld meinen Prügel in ihr versenken zu wollen, bin ich jetzt viel entspannter und genieße das Vorspiel. Hätte nie gedacht, dass man so viel mit seinen Fingern anstellen kann – ganz zu schweigen von der Zunge, die ich mittlerweile so wild und gekonnt schwinge wie dieser Kerl von Kiss oder der Fettsack von Bad Manners, der wie Keezbo aussieht.
Oben an Deck ist Dauerparty angesagt, bei der sich die besoffenen Fahrgäste mit den Junkie-Schrägstrich-Schwuletten-Servicekräften vergnügen. Sick Boys Feindseligkeit gegenüber Charlene und mir – die Bestrafung für unser Rumgemache – verfliegt schnell, als er begreift, dass weibliche Fahrgäste auf einsame Seemänner stehen und sich damit unzählige Optionen für ihn auftun. Auf einer Fähre, die ständig von trinkwütigen Junggesellinnenpartys heimgesucht wird, ist seine Einzelkabine die halbe Miete. Bezeichnenderweise ist Sick Boy die einzige männliche Servicekraft an Bord, die eine Kabine für sich allein hat. Er hat Mr. Cream nach allen Regeln der Kunst eingewickelt: — Ich habe gewöhnungsbedürftige Schlafgewohnheiten, Martin, die sich als eine äußerst peinliche Angelegenheit herausstellen könnten, wenn ich mit einer anderen Person die Kabine teilen muss. Ich wäre Ihnen daher sehr verbunden, wenn Sie mir und den anderen Mitarbeitern diese befremdliche Situation ersparen könnten, indem Sie mir eine Einzelkabine zuweisen … sofern Sie dazu die Möglichkeit haben, versteht sich.
Der kleinwüchsige Rosettenkönig hatte ihn daraufhin mitleidsvoll angesehen und gemeint: — Überlassen Sie das nur mir, Simon. Ich werde sehen, was ich tun kann.
Skagtechnisch haben wir bisher nur Kleinstmengen für den Eigenbedarf durch den Zoll geschmuggelt. Ich hab mir dabei trotzdem jedes Mal in die Hose geballert. Selbst als ich sah, dass Frankie – mit dem wir uns bei ein paar Gläsern im Globe Pub bekannt gemacht hatten – Dienst schob, war mir ziemlich mulmig zumute. Dabei ist der Kerl echt in Ordnung. Einmal allerdings wollte ich durch die Zollkontrolle, und er war nicht da, obwohl er laut Dienstplan dran war. Stattdessen stand da irgend so ein anderer Kerl am Zoll und glotzte mich an. Ich bekam es mit der Angst zu tun, kehrte um und ging wieder weg von der Fähre. Just in diesem Moment kam mir Frankie entgegen. — War nur mal kacken, meinte er mit einem fröhlichen Lächeln. Als er seinen Kollegen abgelöst hatte, winkte er mich durch.
Die Arbeit im Reich des Smutjes hat mich anfänglich echt geschlaucht. Eigentlich liegt es nicht so sehr an seiner Person, denn der Kerl ist ziemlich okay, wenn man ihn erst mal kennengelernt hat. Was mir zu schaffen macht, ist die Arbeit an sich – ganz besonders die unerträglichen Temperaturen. Wer noch nie in einer Großküche gearbeitet hat, macht sich keine Vorstellung davon, wie zermalmend diese enorme Hitze sein kann. Trotzdem hab ich die Maloche einigermaßen auf die Reihe bekommen. Die Kraft dafür ziehe ich überwiegend aus der Zeit mit Charlene. Sie sieht unsere Verbindung allerdings relativ nüchtern und beschreibt uns als »Freunde, die ficken«. Irgendwann war sie so nett, mir mitzuteilen, dass sie einen Freund hat (der dummerweise gerade eine Haftstrafe absitzen muss) und ich im Grunde nur ein Ersatzfick bin.
Ich muss aufpassen, dass ich mich nicht zu sehr in sie vergucke, was nicht so ganz einfach ist. Die Frau ist nämlich so etwas wie mein weibliches Äquivalent aus dem Süden. Eine Seelenverwandte: ein Mädchen, das wie ich aus einer Hafenstadt stammt, genauer gesagt eine Werftprinzessin aus Chatham in Kent. Zu dumm nur, dass da noch dieser Kerl im Knast ist. Charlene will nicht über ihn reden, und das passt mir ganz gut in den Kram. Sie meint, er sitzt für Diebstahl und nicht für Gewaltverbrechen – was mich allerdings nur bis zu einem gewissen Grad erleichtert. Wenn du nämlich rauskommst, und da ist ein Kerl, der sich an deine Perle rangemacht hat, willst du ihm alle Knochen brechen – egal, ob du wegen Scheckbetrug oder siebenfachem Mord eingefahren bist. Besonders romantisch ist die Kiste mit uns beiden eh nicht. Ich meine, wir rumpeln auf einer schmalen Matratze in den stinkenden Eingeweiden einer verkeimten Fähre. Mehr muss man dazu wohl nicht sagen. Nur gut, dass Charlene genauso rastlos ist wie ich. Wenn wir eine Nummer geschoben haben, gehen wir meist hoch aufs Deck und schauen uns an, wie die brutale Morgendämmerung den Hafen zu neuem Leben erweckt. Eiskalte Regenschauer
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