Skagboys 01

rüber zu Marriott, der daraufhin in seinem Stuhl versinkt. — Ich hab weiß Gott Besseres zu tun, als deine bekloppten Drogendeals abzuwickeln, du abgefuckter Scheißpenner!
    Die kanadischen Rucksacktouris – beides blasse Brillenträger mit einem Erscheinungsbild, das von vernünftigem Lebensstil kündet – drehen sich nun vollends von uns weg und starren angestrengt in eine andere Richtung. Nicksy tritt verärgert gegen die Sealink-Tasche. Durch den Stoß fällt sie um, und eins der Skagpäckchen schlittert auf den Boden. Ich muss sagen, dass ich noch nie zuvor in meinem Leben zehn Gramm auf einen Haufen gesehen hab. Das Päckchen ist nur so groß wie eine kleine Packung Süßigkeiten. Im Vergleich zu den Halbgrammtütchen mit den zwei erbsengroßen Kügelchen Skag, die ich sonst so kenne, wirkt es allerdings riesig. Mir kribbelt’s mächtig in den Fingern, aber Marriott stürzt sich sofort mit einem gurgelnden Geräusch nach unten, stopft das Päckchen wieder in die Tasche und zieht mit einer hektischen Bewegung den Reißverschluss zu.
    Wir nicken uns zu, stehen auf und gehen wieder rüber zum Grasshopper. — Ihr werdet noch von mir hören!, brüllt Marriott uns hinterher, während die Kellnerin vier Milchkaffees an den Tisch bringt. Als der erregt mit den Gliedmaßen zuckende Blödmann krampfhaft nach ein paar Gulden in seinen Taschen fischt, um die Kaffees zu bezahlen, können wir uns das Lachen nicht mehr verkneifen.
    — Diesem Armleuchter hast du aber gehörig den Marsch geblasen, Kumpel. Sick Boy reißt Nicksys Arm in die Höhe, als hätte er gerade einen Boxkampf gewonnen. — Spiel, Satz und Sieg für West Hams Inner City Firm!
    — Muss wahrscheinlich all meine Kontakte bemühen, um uns aus dieser Nummer wieder rauszuholen, sagt er reumütig. — Der Typ hat’s aber echt übertrieben, oder?
    — Aye, auf jeden Fall, stimme ich zu. — Wirst sehen, der bellt nur, beißt aber nich.
    — Es ist auch nicht Marriott, um den ich mir Sorgen mache. Nicksy schüttelt den Kopf und schaut mich mit strenger Miene an. — Oder glaubst du etwa, dass das sein Stoff war, den wir da schmuggeln sollten?
    — Verdammt … Als ich plötzlich kapiere, was Nicksy meint, fängt mein Bauch an zu grummeln, und ich fühle mich wie ein Vollhonk.
    — Gentlemen, mich deucht, dass unser kleines Gastspiel bei Sealink sich langsam dem Ende nähert, erklärt Simon, als er die Türen vom Grasshopper aufstößt. Nicksy und ich nicken zustimmend, woraufhin Si freudig hinzufügt: — Aber jetzt warten erst mal ein paar vergnügungssüchtige Ladys auf uns … und die dürfen wir auf keinen Fall enttäuschen.

Fahnenflucht
    B eim Frühstück am nächsten Morgen grüßte Marriott seine desertierten Ex-Kameraden mit einem Ausdruck abgrundtiefer Verachtung, den nur ein Mann zustande bringt, der mit mehreren Zehn-Gramm-Päckchen reinem Heroin in der Unterhose durch den Zoll laufen musste. Obwohl seine Mission erfolgreich war, schien er wegen des literweise geflossenen Angstschweißes mehrere Pfund abgenommen zu haben, was seinen ohnehin schon ausgemergelten Körper noch elender aussehen ließ. Schnell war er zu der Einsicht gekommen, dass er das Problem der desertierten Helfer selber lösen musste. Mit einem Anruf bei seinem Boss hätte er bloß den Zorn von Gal auf sich gezogen und den Karren dann trotzdem allein aus dem Dreck ziehen müssen. Pechschwarzer Groll brodelte nun in ihm. Sobald er neue Rekruten für seine Schmuggelei gefunden hatte, würde er ein paar Gefallen bei Bekannten einfordern und diese drei feigen Arschlöcher teuer für ihren Verrat bezahlen lassen.
    Beim Anblick des schweigend vor sich hin brütenden Marriott wurde Renton, Sick Boy und Nicksy klar, dass ihr ehemaliger Arbeitgeber einen Racheplan schmiedete. Als sie sich nach der Schicht auf den Heimweg nach Hackney machten, beschlossen sie, dass es schlauer war, nicht wieder bei Sealink aufzukreuzen. Charlenes Entschluss, ebenfalls die Segel auf der Fähre zu streichen, erleichterte die Entscheidung für Renton ungemein. Außer dass sie ihre Brötchen mit Ladendiebstahl verdiente, aus Chatham kam und »normalerweise« in Kennington wohnte (das er anfänglich mit Kensington verwechselte, bis sie ihn zu seiner großen Enttäuschung eines Besseren belehrte), wusste er nicht sonderlich viel über das Mädchen. Aber er mochte sie und wollte mehr über sie erfahren. Die Nacht verbrachten sie zusammen in Nicksys Wohnung im Beatrice Webb House. Das Glück war auf Rentons