Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Skagboys 01

Skagboys 01

Titel: Skagboys 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
Vom Netzwerk:
laberten permanent Verwandte und Nachbarn mit Neuigkeiten über Davies Befinden zu. Jetzt ist es sehr viel stiller in ihrem Haus – diese umtriebige Energie verpufft, der Sinn des Ganzen abhandengekommen. Als ich am späten Freitagabend angekommen bin, lagen beide schon in der Kiste. Nur Billy war noch auf.
    Eigentlich war ich da, um ein paar meiner Platten einzusammeln, die ich verticken wollte, hab mich dann aber doch zu Billy vor die Glotze gesetzt, um den Boxkampf zu sehen. Danach bin ich in mein altes Bett gekrochen. Mein Körper verarbeitet den Stoff jetzt schneller. Früher brauchte ich alle paar Tage einen Schuss. Mittlerweile komme ich gerade mal vier Stunden ohne Fix aus. Ich bin lethargisch und faul geworden – hauptsächlich, um Energie zu sparen und das Skag nicht vorzeitig zu verbrennen. Außerdem bin ich verdammt leicht reizbar. Gelangweilt. Unaufmerksam. Und vor allem: lustlos. Mich von der Couch zu erheben, ohne einen Skagfix als Ziel, stellt eine gewaltige Anstrengung für mich dar.
    Keezbo und ich sind zu diesem Methadonprogramm gegangen. Sick Boy hat später nachgezogen. Das Zeug macht die Entzugssymptome etwas erträglicher. Ansonsten ist es aber ziemlich scheiße: Ich krieg trotzdem noch voll den Rappel und muss ständig richtiges Dope klarmachen. Wenn ich der Schnitte im Krankenhaus davon erzähle, meint sie nur, dass bei den meisten mit der Dosis experimentiert werden muss, um die Entzugssymptome effektiv zu unterdrücken. Tolle Nummer! Sie experimentieren mit einer Ersatzdroge an mir rum …
    Wenn ich nicht gerade auf der Jagd nach Stoff bin, lese ich meistens Ulysses von James Joyce. Zu meiner freudigen Überraschung hab ich nämlich ein Exemplar in der McDonald Road Library gefunden. Früher hab ich Joyce null geschnallt. Es war nur ein Haufen ödes Geschwafel für mich. Jetzt bin ich allerdings richtig eingetaucht: Ich fahre diesen unglaublichen Trip beim Lesen und lasse die Wörter beeindruckende Bilder in meinem Kopf beschwören, als wäre ich auf Acid. Ich wünschte, ich hätte das Buch mit zu meinen Eltern gebracht.
    Als Teilnehmer am Methadonprogramm muss man sich täglich in der Klinik des Leith Hospital melden (das übrigens nächstes Jahr geschlossen werden soll). Da holen wir uns diesen nach Kloputzmittel schmeckenden Sirup ab, während die Weißkittel eifrig Buch über uns führen. Es ist ein bisschen wie beim Arbeitsamt. Allerdings ist das Gefühl der Gruppenzugehörigkeit stärker. Man trifft eine Menge Skagheads im Programm. Einigen ist die Angelegenheit peinlich. Die schleichen sich heimlich rein und raus. Anderen ist es scheißegal. Die fragen dich glatt auf dem Klinikflur, ob du Stoff dabei hast. Manche der Typen sind komplett abgefuckt. Einfach fertig. Wenn es nicht Skag wäre, würden die auf irgendwas anderem hängen bleiben. Bei den meisten handelt es sich allerdings um ganz normale Jungs, die sich selbst mit der Droge ins absolute Nichts katapultiert haben, um sich nicht mehr dafür schämen zu müssen, nichts zu tun zu haben. Die Langeweile hat sie in den Wahnsinn getrieben – in den Drogenwahnsinn. Größtenteils machen sie das alles mit sich allein aus und versuchen, nach außen hin eine Maske der Gefasstheit aufrechtzuerhalten. Sie geben sich unnahbar und souverän, mit harten Kommentaren, spöttischem Gerede und jeder Menge Galgenhumor. Schwäche zu zeigen können sie sich nicht erlauben. Sie ahnen, dass sie nur lang genug Gleichgültigkeit vortäuschen müssen, damit diese irgendwann ihr gesamtes Wesen ausfüllt. Und sie haben recht damit.
    Das Methadon ist scheiße. Rausch oder Kick gibt es da keinen. Aber die Weißkittel meinen, wir sollen nicht aufgeben, denn nach der »Feineinstellung« der Dosis würde das Zeug die Entzugsbeschwerden unterdrücken und darüber hinaus wäre es allemal besser als die Alternative. Na ja, wer’s glaubt. Manchmal hat man in der Klinik das Gefühl, eine Laborratte zu sein, wenn die Leute vom Programm in diesem ehrfurchtsvollen Flüsterton miteinander sprechen. Sie haben uns allen Blut abgenommen. Nicht nur wegen HIV , waren sie bemüht zu erklären. Zumindest geschieht jetzt mal was. Sie scheinen kapiert zu haben, dass da draußen ein paar Sachen verdammt schieflaufen.
    In der Bude meiner Alten hingegen läuft wenig bis gar nichts. Mir ist aufgefallen, dass der permanente Wettstreit zwischen mir und Billy ruht, wenn unsere Eltern nicht im Zimmer sind. Es kommt mir so vor, als würden Billy und ich dann vergessen, dass wir uns

Weitere Kostenlose Bücher