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Skagboys 01

Skagboys 01

Titel: Skagboys 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
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im Falle meines Dads, manchmal auch nach Glasgow in den Ibrox Park. Obwohl der Fußball momentan keine besonders große Rolle in unserem Leben spielt, besteht der Mince-and-Tatties-Brauch eigenartigerweise fort. So wird die weiße Tischdecke herausgeholt und die Kasserolle auf den Tisch gestellt, in der die Hackfleischpampe mit der Zwiebel in der Mitte vor sich hin blubbert. Anschließend werden der Kartoffelbrei und die Erbsen serviert. Irgendwas ist aber anders als sonst. Die schweigsame Art und die steifen Bewegungen meiner Mutter verraten mir, dass meine Alten etwas ahnen: Sie haben mitbekommen, dass etwas mit mir nicht stimmt. Ma sitzt unruhig am Tisch und schaut mit nervösem Blick hin und her. Ihre Zigaretten sind alle. Sie fragt Billy, aber der zuckt nur mit den Schultern. Ich erinnere mich daran, dass er aufhören oder zumindest seinen Konsum runterschrauben wollte. — Dann geh ich runter und hol eine Schachtel, meint sie.
    — Du brauchst jetzt keine Zigaretten, Catherine, sagt mein alter Herr, als wäre sie ein kleines Kind. Es kommt selten vor, dass er ihren richtigen Namen benutzt – ein todsicheres Zeichen, dass etwas im Busch ist. Beide schauen sich eigenartig an und werfen mir verstohlene Blicke zu. Ich stochere auf meinem Teller herum. Vom Kartoffelbrei habe ich schon ein wenig gegessen, aber diese Hackfleischpampe ist irgendwie zu salzig und schmerzt an meinen trockenen, aufgeplatzten Lippen. Auch die Erbsen lassen zu wünschen übrig: Sie sehen aus wie grün angemalte Lagerkugeln und sind ganz verschrumpelt, weil sie zu lange im Ofen waren. Meine Ma kann nicht sonderlich gut kochen, aber selbst wenn sie das Talent von TV -Köchin Delia Smith hätte, würde ich nichts runterkriegen. Ich fühle mich unwohl, zittere und blinzele im hellen Licht, das durch das große Fenster hereinströmt.
    Verdammter Kack, dabei wollte ich doch bloß ein paar Schallplatten abholen!
    Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie meine Ma aufsteht und auf der Suche nach aus der Schachtel gefallenen Zigaretten die Schubfächer der Kommode durchwühlt und die Kissen auf Couch und Sesseln umdreht. Ihr Rumgewusele macht mich kirre. Am liebsten würde ich ihr sagen: »Jetzt setz dich endlich wieder hin und iss dein Essen!« Da ergreift mein Vater das Wort. Mit vorwurfsvollem Blick starrt er mich an und sagt: — Ich möchte dich was fragen, Junge. Was Ernstes. Bist du einer von denen?
    Dieses Mal meint er »Junkie« und nicht »Schwulette« wie damals.
    — Sag, dass es nicht stimmt, Junge. Bitte sag uns, dass es nicht stimmt!, fleht mich meine Mutter an, die nun hinter ihrem leeren Stuhl in Stellung gegangen ist. Sie klammert sich derart krampfhaft an der Lehne fest, dass ihre Fingerknöchel weiß werden, und scheint sich auf ein schockierendes Geständnis vorzubereiten.
    Aus irgendeinem Grund habe ich keinen Bock, weiter zu lügen. — Ich bin im Methadonprogramm …, sage ich, — … um vom Junk wegzukommen.
    — Verdammter Vollidiot, schnaubt Billy.
    — Nun, dann stimmt es also!, meint mein Dad trocken und starrt mich mit einem flehenden Blick an. — Oder?!
    Ich zucke nur mit den Schultern.
    — Du bist ein Junkie. Die Augen meines Vaters werden schmaler. — Ein dreckiger, widerlicher, verlogener Junkie. Ein Drogenabhängiger. Das ist es, was aus dir geworden ist, oder?
    Ich schaue zu ihm auf. — Indem du mich beurteilst, verneinst du mich.
    — Was?!
    — Hat Kierkegaard mal gesagt.
    — Wer zum Teufel is das denn bitte schön?, will Billy wissen.
    — Søren Kierkegaard, ein dänischer Philosoph.
    Mein alter Herr schlägt mit der Faust auf den Tisch. — Den Scheiß kannst du dir sparen! Das ist jetzt nämlich alles hinüber: Dein Studium hast du im Klo runtergespült und deine Zukunftschancen auch! So ein beschissener Philosoph wird dir jetzt auch nicht weiterhelfen. Das ist nicht eine deiner albernen Launen, Mark! Das ist keine Sache, mit der du rumspielen kannst, bis es dich irgendwann langweilt! Das ist dein verdammtes Leben, das du da wegschmeißt!
    — O Mark …, meine Ma beginnt zu schluchzen. — Ich wollte es nicht glauben. Unser Mark … die Universität … wir waren doch so stolz auf dich, stimmt’s nicht, Davie?! Wir waren doch so stolz!
    — Das Zeug bringt dich um. Ich hab drüber gelesen, erklärt mein Dad. — Das ist, als würdest du mit ner geladenen Waffe rumspielen! Früher oder später landest du im Krankenhaus wie dieser Murphy. Halb tot, der Kerl, beim Allmächtigen!
    Meine Ma fängt an zu weinen.

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