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Skagboys 01

Skagboys 01

Titel: Skagboys 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
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hassen, und stattdessen richtig gut miteinander klarkommen. Jetzt schauen wir uns zum Beispiel gemeinsam diesen Fight in der Glotze an, bei dem ein Afroamerikaner die jüngste weiße Boxhoffnung zermalmt.
    Irgendwann meint Billy so etwas wie: — Scheiße, Mann, Zivilist sein is nix für mich.
    — Willste dich wieder verpflichten?
    — Vielleicht.
    Ich unterdrücke meine Diskussionslust, denn Billy und ich kommen bei derartigen Themen nie auf einen Nenner. Obwohl ich denke, dass er angesichts seiner Positionen ein vollkommener Hohlkopf sein muss, ist es doch sein Leben, und ich habe kein Recht, ihm vorzuschreiben, wie er es zu führen hat. Er erzählt noch ein bisschen von der Armee, dass die Offiziere allesamt Wichser sind, die sich bei den Patrouillen stets in die Hose scheißen, während ihm seine Kameraden das Gefühl geben, dazuzugehören und einen Platz in dieser Welt zu haben. Nächste Woche muss er vor Gericht, weil er irgend so einen Spinner in einer Kneipe zusammengelegt hat. Kein Wunder also, dass ihm momentan tausend Sachen durch den Kopf gehen.
    Nach dem Tod von Klein Davie hat Billy sich das Zimmer unseres kleinen Bruders, das mit der tollen Aussicht auf den Fluss, unter den Nagel gerissen. Als wir vor ein paar Jahren von den Fort Flats hierhergezogen waren, hatte die Vergabe des mit Abstand besten Quartiers an Klein Davie – der mit einem fensterlosen Keller- oder Dachbodenzimmer genauso zufrieden gewesen wäre – sowohl bei Billy als auch bei mir für einige Verstimmungen gesorgt. Schon kurz nach der Beerdigung hat Billy kackfrech seine Ansprüche auf Klein Davies Zimmer angemeldet. Aber das geht schon in Ordnung, schließlich ist es ja nicht so, als wenn ich wieder bei meinen Eltern einziehen wollte.
    In dem alten Kinderzimmer von Billy und mir wirkt seine Seite des Raums jetzt ziemlich verlassen. Er hat alles mitgenommen. Das eingerahmte Bild von Donald Ford, auf dem er dieses Jambo-Trikot im Ajax-Style aus den Siebzigern trägt, ist ebenso verschwunden wie die Schriftrolle, auf der Billy damals im Kunstunterricht mit kastanienbrauner Tinte und in alten Lettern den kompletten Text von »Hearts, Glorious Hearts« verewigt hatte (seine höchstwahrscheinlich größte Errungenschaft in elf Jahren staatlich finanzierter Schulbildung). Glücklicherweise hat er auch die Plastikfigur von King Billy – sprich: Wilhelm III. von Oranien-Nassau – mitgenommen, die hoch zu Ross auf dem Fensterbrett stand und jahrelang voller Verachtung auf die Hibs-infizierte Nachbarschaft herabblickte.
    Der Klebebandstreifen, den Billy mal vor Ewigkeiten auf dem Fußboden fixiert hatte, ist allerdings noch da. Als ich ihn entferne, bleibt ein kräftiger Streifen auf dem sonnengebleichten Blau des Teppichs zurück. Billy hatte diese Trennlinie die »unsichtbare Berliner Mauer« genannt. Nur dahinter durfte ich meine Poster aufhängen: eins vom 72er-League Cup mit Stanton im Zentrum, ein 73er-Mannschaftsbild der Hibs mit den beiden Pokalen und ein Poster von Alan Gordon beim Torschuss. Da ist auch noch ein Poster jüngeren Datums von Gordon »Jukebox« Durie. Daneben hängt ein Foto von der Kirche in der St. Stephen’s Street, die Tommy mit einem Graffiti – IGGY IS GOD! – verziert hat, und eine Montage aus Bildern von Teenpunks und Soul-Boys mit peinlichen Haarschnitten. Vielleicht sollte ich mein Bett näher ans Fenster rücken. Schließlich wird Billy nicht wieder in dieses Zimmer zurückziehen.
    Muss man sich mal vorstellen: Er hat sich tatsächlich ein Doppelbett gekauft und es in das alte Zimmer von Klein Davie gestellt, um Sharon in Ruhe durchbürsten zu können, wenn die mal wieder hier übernachtet. Klasse! Ein richtiges Jambo-Ficknest. Wie schafft es dieser Perversling überhaupt, einen hochzukriegen, wenn nebenan meine Eltern schnarchen?! Hat er denn überhaupt kein Fünkchen Selbstrespekt mehr? Ich habe nie ein Mädchen mit hierhergebracht. Nicht ins Haus meiner Eltern!
    Am Samstagmorgen stehe ich ziemlich spät auf, so gegen halb zwölf. Ich bin nicht sonderlich hungrig, aber meine Eltern, beide überrascht, mich zu sehen, bestehen darauf, dass ich zum Mittagessen bleibe: Mince und Tatties steht auf dem Speiseplan. Es war so eine Art Tradition in unserer Familie, dass meine Mutter am Samstagvormittag diesen aus Hackfleisch und Kartoffelbrei bestehenden Klassiker der schottischen Küche kochte, damit wir gegen zwölf essen und anschließend zum Fußball gehen konnten – ins Easter Road, ins Tynecastle oder,

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