Skagboys 01
einfallsreiche Antwort, aber so ist Les nun mal. Er mag zwar n toller Typ sein und sich selbst für ein Stand-up-Comedy-Talent halten. Ein Oscar Wilde ist er aber nicht gerade – weder in Sachen Esprit noch in sexueller Hinsicht.
Den Blick auf Mels Brüste geheftet, läuft Young Bobby schon wieder der Sabber ausm Mund. Als sie es bemerkt, schaut sie ihn verärgert an. — Hör auf damit, Bobby! Ich geb ihm einen kumpelhaften Klaps auf den Hinterkopf, woraufhin er sich räuspert und mich mit seinem Kleinkindlächeln ansieht. Auch wenn Young Bobby nur fünf Jahre jünger ist als ich, empfinde ich manchmal so was wie latente Vatergefühle für ihn, was natürlich etwas unbehaglich ist. — Hör mal, Mel, ich glaub, unser Bob hier is dein Mann.
— Der dürre Knirps? Da is ja sogar an unseren Pasteten mehr Fleisch dran!
Einen Moment lang befürchte ich, dass Young Bobby gleich knallrot anlaufen wird. Stattdessen zwinkert er ihr zu und schiebt seine Unterlippe vor. — Jederzeit, an jedem Ort, Baby.
Mel lacht herzhaft und klatscht Mitch eine Portion Kartoffelbrei auf den Teller.
— Du weißt doch, was man sich über diese dürren Typen sagt: nur Rippen un Schwanz, wirft Les ein. — Frank Sinatra zum Beispiel hat nur hundertdreißig Pfund gewogen, aber Ava Gardner meinte, hundert Pfund gingen allein für seinen Bammel drauf. Witzigerweise versucht Mel daraufhin, ein besonders sittsames Gesicht zu machen. Ich kriege jedoch mit, wie sie Bobby einen Blick zuwirft, den ich sonst nur von Leuten kenne, die nach einer durchzechten Nacht mit Heißhunger in den Augen eine Portion Fish & Chips anstarren. Ich wackle drohend mit dem Zeigefinger, aber Mel zieht nur eine Grimasse.
Dann füllt sie meinen und Young Bobbys Teller mit Pastete, Bohnen und Kartoffelbrei. Bevor wir zum Tisch gehen, schnappt Bobby sich die Plastikflasche mit der braunen Soße und drückt sich so viel auf sein Essen, dass jeder Quadratzentimeter seines Tellers damit bedeckt ist. Am Ende gibt die Plastikflasche nur noch grässliche Furzgeräusche von sich. Sieht so aus, als wäre für den nahenden Bannerman nichts mehr übrig! — Hast du etwa die ganze Soße alle gemacht?!, schimpft er wütend, während er ungläubig auf Bobbys Teller starrt und die leere Flasche hochhält. — Unmöglich, dass einer allein so viel Soße braucht!
Bobby denkt einen Moment über seine Antwort nach. — Weiß auch nich … Er schiebt seinen Pony zur Seite, unter dem eine in Falten gelegte Stirn zum Vorschein kommt. — … irgendwie war ich heute total soßengeil! Dann schlurft er mit seinem Teller zum Tisch rüber, während Les, Mitch und ich uns nich mehr halten können und loskichern. Sogar Sean grinst jetzt. Diese kleinen Momente, so trivial sie auch sein mögen, sind wie glorreiche Miniatur-Siege für uns. Bobby hat ein Talent dafür, sie jederzeit einfach so aus dem Ärmel zu schütteln. Dafür lohnt es sich fast, mit Nägeln beschossen zu werden.
Auf dem Nachhauseweg sehe ich Sick Boy auf dem Foot of the Walk, dem nördlichsten Teil des Leith Walk. Er steht an einer Bushaltestelle und reibt sich nachdenklich sein leicht stoppeliges Kinn, während er mit großen Augen ein ebenfalls auf den Bus wartendes Mädchen angafft. Der Ausdruck auf seinem Gesicht ändert sich von einer Sekunde zur anderen von mitleiderregend – wie bei einem Welpen, der sich schutzsuchend seinem Herrchen unterwirft – zu grausam und arrogant. Er ist kurz davor, über seine Beute herzufallen. Seine schwarzen, fast schulterlangen Haare sind im Mod-Look gestylt und glänzen ein wenig. Er trägt ein Shirt mit V-Ausschnitt, damit alle Welt seinen mediterranen Teint – ein Erbe seiner Italo-Mutter – bewundern kann. Seine Beine, die immer eine Idee zu lang für seinen Körper zu sein scheinen, werden von einer braunen Canvas-Hose bedeckt. Zur Abwechslung hat er heute mal ein paar akzeptable Sneaker und keine dieser italienischen Herrenschuhe an, die zwar teuer und exklusiv aussehen, tatsächlich aber nur billige Kopien sind. Sick Boy ist eigentlich permanent auf Frauenfang, und dieses Mal störe ich ihn genau im Moment des Angriffs. — Mensch, Rents …, sagt er gereizt und nickt zu dem Mädchen rüber. — … siehst du nich, dass ich arbeite?!
— Dann mach ma ne Pause und komm mit mir aufn Bier, sage ich. Ich muss nämlich noch mit ihm über meinen Einzug in seine Bude in der Montgomery Street quatschen.
— Nur wenn du bezahlst, willigt er ein. — Sind eh zu viele Paviane in dieser
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