Skagboys 01
Land ist nicht mehr für die weißen Leute da, die es aufgebaut haben! Die Alte schüttelt noch einmal den Kopf, dreht sich um und watschelt dann weiter.
Auch Sick Boy is aufm Sprung. — Hör ma, Mark. Ich muss jetzt los. Wir sehn uns später, sagt er und läuft dem Mädchen hinterher. Ich schau ihm eine Weile nach. Erst geht er neben ihr, dann beginnt er ein Gespräch. Verdammter Arsch. Wenn ich das bei einem Mädchen probiere, hetzt sie mir in null Komma nichts die Bullen auf den Hals. Zumindest kann man Sick Boy nicht vorwerfen, er wäre defät-blablabla oder wie auch immer der Scheiß heißt.
So stehe ich nun ganz allein da, aber das passt mir ganz gut in Kram. Die Sonne kommt gerade wieder raus, und ich teste meinen Rücken mit ein paar Klimmzügen am Dach der Bushaltestelle. Dann mach ich mich auf den Weg, immer der Nase lang die Straße runter.
Anmerkungen zu einer Epidemie 1
A m 1. März 1979 fand in Schottland ein Nationalreferendum statt, bei dem sich die schottische Bevölkerung mehrheitlich für die Wiedereinführung eines eigenen Parlaments entschied. Damit sollte ein gewisses Maß an Souveränität für ihr Land wiederhergestellt werden, das sich seit fast drei Jahrhunderten in einer undemokratisch erzwungenen Union mit England befand. George Cunningham, ein schottischer Labour-Abgeordneter mit Wohnsitz in London, hatte dem neuen Gesetz zur administrativen Unabhängigkeit allerdings eine Ergänzung hinzugefügt, die sich als unüberwindbare Hürde erweisen sollte. So konnte das per Volksentscheid von der schottischen Bevölkerung befürwortete Parlament nicht gebildet werden.
Im Mai 1979 kam dann die von Margaret Thatcher geführte Konservative Partei an die Macht. Da nur ein sehr geringer Teil der schottischen Stimmen auf die Konservativen entfiel, waren nicht wenige der Meinung, dass diese ohne demokratisches Mandat in Schottland regierten. Trotzdem lehnte die Konser vative Partei vehement die Einführung eines Regionalparlaments in Edinburgh ab.
Too Shy
— Das ist die verdammte Tragödie Schottlands! Der Mann, der diese Feststellung macht, ist Frank »Franco« Begbie – ein stämmiger Typ mit Number-Two-Schnitt und Tattoos auf Händen und Hals, die unter seinem Shirt hervor ans Tageslicht kriechen. Er sitzt auf einem Barhocker in einem spartanisch eingerichteten Wirtshaus auf dem Leith Walk, das ganz bestimmt niemals in einem Pub-Guide von Edinburgh auftauchen wird. Eher beiläufig verpasst Begbie dem neben ihm sitzenden Spud Murphy im Redeschwall eine knackige Gerade auf den Oberarm, die seinen Freund fast vom Stuhl fegt. — Wieder nicht für die Europameisterschaft qualifiziert!
Als müsste er seine Aussage beweisen, zeigt Franco auf den Fernseher, der in einer Ecke des Pubs über der Jukebox an der Wand hängt und in strahlenden Farben zwei Fußballmannschaften vom Kontinent zeigt, die gerade aufs Feld laufen. Tommy Lawrence spannt seinen muskulösen Körper an und dreht seinen Kopf in Richtung Mattscheibe. Auch der ziemlich schläfrig dreinblickende Mark Renton rafft sich auf und schaut zum Fernseher hoch, denn es ist wieder Platini-Zeit. Gebannt starren sie auf den Bildschirm, während die Kamera an beiden Mannschaften vorbeigleitet und bei jedem Spieler für ein paar Sekunden innehält. Aufmerksam schauen sie in ihre Gesichter und suchen nach Anhaltspunkten für den Verlauf der Partie. Auch wenn sie in einer heruntergekommenen Kneipe sitzen – inklusive nikotingelber Wände, zerbrochener Fußbodenfliesen und ramponierter Sitzmöbel –, so fragen sie sich doch, wie sich das wohl anfühlen mag, da auf dem Platz zu stehen: die Brust rausgestreckt, bis in die Haarspitzen konzentriert und nur neunzig Minuten entfernt von einem kleinen Stück Unsterblichkeit.
Spud, der Typ mit den dreckig blonden Wuschelhaaren, reibt seinen von Begbie malträtierten Oberarm und versucht, diesen hartnäckigen Schmerz wegzumassieren, den Renton und Tommy nur allzu gut kennen. Renton fällt der bemitleidenswerte Ausdruck auf Spuds Visage auf. Mit einem Mal kommt ihm ein Gedanke: Wenn die Comicfigur Oor Wullie in Kirkgate aufgewachsen wäre, ausgewaschene Fred-Perry-Hemden tragen, sich dem Ladendiebstahl widmen und jede Menge Speed konsumieren würde, könnte er glatt Spuds Doppelgänger sein. Neben dem goldigen Lachen aus der Feder von Dudley D. Watkins, dem Schöpfer von Oor Wullie , hat Spud noch zwei weitere Gesichtsausdrücke drauf: Zum einen ist da der
Weitere Kostenlose Bücher