Skagboys 01
einen Faustkampf hinauslief, bei dem mich Eck sehr wahrscheinlich zu Brei verarbeiten würde. Aber es kam anders: Eck setzte sich neben mich und begann sich anzubiedern. Er bot mir Süßigkeiten an – Zitronenbonbons mit Brausepulverfüllung – und meinte, dass »wir doch schon immer Kumpels« gewesen wären … was natürlich Nonsens war.
Ich saß nur schweigend da, genoss meine Macht und zog unsagbar viel Kraft aus dem verzweifelten, angstvollen Blick in seinen Augen und dem süßen Geschmack der Bonbons, die sich an meinem Gaumen auflösten und anschließend das prickelnde Brausepulver freigaben.
Tag 36
Auch Sick Boy hat’s geschafft. Heute verlässt er die Reha. Mit sich nimmt er das abgegriffene Wörterbuch. In den Händen der meisten nur ein einfaches Nachschlagewerk, ist das Collins in seinen Fingern viel mehr als das: eine todbringende Waffe. Seine Schwester Carlotta kommt mit ihrem Datsun, um ihn abzuholen. Sie sieht verdammt sexy aus! Heute Abend werd ich mir bestimmt vierzigmal einen auf sie runterholen! Wenn nicht noch öfter! Si ist etwas genervt von meinen grenzwertigen Flirtattacken. Höhepunkt ist zweifellos der Moment, als meine Hände an ihren Armen auf und ab streichen und mein Gesicht in ihren schwarz glänzenden Haaren versinkt, damit ich ihren Geruch aufsaugen kann. Ich sammele so viele Sinneseindrücke wie möglich – Material für die bevorstehende Wichsorgie. Carlotta stört sich nicht sonderlich an meinem Verhalten, sondern kichert nur über meine Berührungen. Sick Boy hingegen bricht eine Umarmung mit der am Boden zerstörten Molly ab und tritt mir halb im Ernst, halb im Spaß gegen das Schienbein.
»Gib gut acht auf den Kerl«, sag ich zu Carlotta und schließe meine Arme um Sick Boy. Ich genieße sein Unbehagen und die Hilflosigkeit, mit der er gegen meine neuen Muskelmassen ankämpft, um sich aus meiner Umarmung zu lösen.
Eigentlich hatte ich mich damals nur mit ihm angefreundet, um bei meinen Besuchen seine Schwester und seine Ma anglotzen zu können (bevor Letztere irgendwann fett und unansehnlich wurde). In die Wohnung der Williamsons wurde man allerdings nur gelassen, wenn der feindselige Arsch von seinem Vater nicht zu Hause war. Öffnete das Familienoberhaupt die Tür, drückte er mir meist nur einen bekloppten Spruch rein und ließ mich draußen stehen. »Du bist also das Bürschchen aus den Fort Flats, wie?!« Er hatte dabei so eine überhebliche Art drauf, dass man meinen konnte, die beschissenen Banana Flats wären was Besseres und lägen in einem Nobelviertel wie Barnton oder so! Der Arsch ließ mich jedes Mal draußen warten, sodass ich ständig Scherereien mit irgendwelchen Banana-Spackos bekam, die natürlich checkten, dass ich auf der anderen Seite der Junction Street wohnte.
»Benimm dich!«, sagt Sick Boy und kneift dabei die Augen zusammen, um mich scharf anzusehen. »Ich seh dich in ein paar Wochen.«
»Ich bin doch aber schon nächste Woche draußen«, erinnere ich ihn.
»Ich werd eine Zeit lang nach Italien runtergehen. Dieses Mal aber echt. Wird mir guttun, ein paar Wochen den piktischen Sümpfen zu entfliehen«, sagt er und schaut dabei mit verächtlicher Miene über die Bäume hinweg auf den rauchgrauen Himmel, bevor er sich wieder der besorgten Molly zuwendet.
»Ruf mich an, sobald du zurückkommst!«, bettelt sie und schlingt ihre dünnen Ärmchen um seinen Hals.
Ich kann sein Gesicht über ihrer Schulter sehen. Er zwinkert mir zu und reißt seine Augen weit auf, bevor er ihr ins Ohr flüstert: »Davon kann mich nichts und niemand auf der Welt abhalten, Babes.« Dann löst er sich abrupt aus ihrer Umarmung und geht zum Auto.
Während wir dem davonfahrenden Datsun hinterherschauen, rennt Molly ins Gebäude. Tom legt seine Hand auf meine Schulter. »Du hast Danny, Johnny und nun auch Simon verloren. Aber denk positiv, Mark, du wirst als Nächster entlassen.«
Als ich in den Aufenthaltsraum komme, sehe ich Molly in der Ecke hocken. Sie ist völlig aufgelöst und wird von Keezbo getröstet. Gut, denn so bleibt mir der fette Jambo-Wichser von der Pelle.
Ich gehe wieder in mein Zimmer und lese, komme aber nicht weit, da Schwester Vierauge klopft, um mir mitzuteilen, dass ich eine Sitzung mit Molly habe. Ich schnalle nicht, was sie damit meint. Als sie meine Verwirrung bemerkt, sagt sie: »Sorry, ich meine die andere Molly.«
Die »andere Molly« ist eine steife Engländerin mit kerzengeradem Rücken und Pferdefresse namens Molly Greaves – eine
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