Skagboys 01
meinen Adern spürte, begann sich meine Laune sofort zu bessern.
Unglaublich, aber wahr: Der größte Drogendealer der Stadt hatte mich aus meinem Depriloch gerettet!
Wie eine fürsorgliche Glucke wachte er über mir mit seinem kalten Gesichtsausdruck und der dunklen Brille – jederzeit bereit, die Gewichte mit seinen großen Händen aufzufangen, wenn ich den Punkt des Muskelversagens erreichen würde.
Ironischerweise bekomme ich durch das Pumpen dickere Venen. Wie zum Bersten gefüllte Pipelines drängen sie sich nun an die Oberfläche meiner Arme. Könnte das auch eine Motivation für diese Schinderei sein?
Letzte Woche hab ich ein Springseil im Regal des Aufenthaltsraums gefunden und angefangen, damit zu trainieren. Momentan absolviere ich nach den Gewichten, den Liegestützen und den Stützstrecken sechs Sätze à drei Minuten Springseiltraining mit jeweils sechzig Sekunden Pause. Dieses Mal bin ich es, der Seeker mitreißt: Trotz seiner anfänglich zynischen Kommentare trainiert auch er jetzt mit dem Seil. Es sieht ein wenig gewöhnungsbedürftig aus, wenn dieser riesige Biker – mit nacktem Oberkörper, zurückgebundenen Haaren und Sonnenbrille – im Hof mit dem Springseil auf und ab hüpft.
Habe damit begonnen, mehr Zeug ins Journal einzutragen, um herauszufinden, wie ich an diesem Ort landen konnte. Am Ende schrieb ich über die Fahrt mit meinem alten Herrn nach Orgreave.
Tag 35
Ich bin wieder verdammt gut drauf! Das Springseil ist der Hammer. In den Einzelsitzungen mit Tom bin ich nur am Quasseln. Ich weiß, dass ich morgen sicherlich anders darüber denken werde, aber im Moment habe ich beschlossen, dass der Kerl echt in Ordnung ist. Er hat tatsächlich Zärtlich ist die Nacht gelesen. Es ist toll, in diesem Loch jemanden zu haben, mit dem ich über Bücher, Filme und Politik diskutieren kann. Langes Gespräch über Scorsese und De Niro: Er besteht darauf, dass die beste Kollabo der beiden Taxi Driver ist, während ich mich für Wie ein wilder Stier ausspreche. »Taxi Driver ist Schraders Film«, erkläre ich. »Er ist das Genie hinter diesem Streifen.«
Nach dem Essen sitze ich draußen im Garten, während der Rest der Gruppe direkt zum Fernseher rennt. Der Abend senkt sich auf die überhängenden Bäume herab, während sich ein paar Spatzen, angelockt von weggeworfenen Brotkrumen, auf den Boden vor der Tür wagen. Die Stimme des Nachrichtensprechers dröhnt so laut nach draußen, dass ich das zankende Junkie-Gezeter aus dem Gemeinschaftsraum kaum noch wahrnehme.
Journal-Eintrag: Wie ich Eric »Eck« Wilson in der Schule mit einem Messer angriff
Es geschah beim technischen Zeichnen, als ich dreizehn oder vierzehn war. Der Lehrer hatte aus irgendeinem Grund die Klasse verlassen. Zwei knackige Schläge auf meinen Hinterkopf und ein hämisches Lachen … es war nicht das erste Mal, dass das passierte. Ich wusste sofort, wer der Stänkerfritze war. Eck Wilson. Rasch drehte ich mich um und zog dabei instinktiv das Springmesser aus meiner Hosentasche.
BÄM! Die erste Attacke landete in seiner Hand. Pures Entsetzen in seinem Gesicht! Den Ausdruck in seiner Visage hätte ich mir einrahmen lassen sollen. Dann die Brust. BÄM! Und der Bauch. BÄM! Der letzte war zugleich der entschlossenste Messerstoß. Ich wollte ihn verletzen!
Es waren keine sonderlich schlimmen Wunden, aber sie bluteten. Eck war schockiert. Ich ebenso. Unter den Zeugen der Attacke war der Spritztour-König Gary McVie (RIP) aus den Fort Flats. Er war es, der mir das Messer aus der Hand nahm und in seine Tasche steckte. »Gib mir das lieber, Mark«, meinte er und brüllte dann den Rest der Klasse an, sich auf die Plätze zu setzen und gefälligst die Klappe zu halten. Bis auf ein paar schreckhafte Wichser, die hinter vorgehaltener Hand tuschelten, als unser Lehrer, Mr. Bruce, zurückkam, parierten alle. Ich hatte Angst, dass Bruce das Blut sehen, die Polizei alarmieren und mich dadurch in den Knast bringen würde. Irgendwann erlöste mich aber die Pausenklingel. Eck schlich ohne einen Ton zu sagen mit leicht gebeugtem Gang aus der Klasse. Er hat mich nicht verpetzt. Draußen riss er zwar die Klappe auf, dass er mich umbringen würde, ging dann aber tatenlos davon, um seine Wunden behandeln zu lassen.
Ein paar Tage später kreuzten sich unsere Wege in Geografie. Dieses Mal hatte ich keine Klinge einstecken und dementsprechend große Angst. Es kam mir so vor, als hätte ich einen Knoten in meinen Eingeweiden. Ich ahnte, dass es auf
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