Skagboys 01
habe ich das Gefühl, mit ihr schlafen zu müssen, bevor ich aufwache. Da sie aber jetzt ein immaterielles Etwas ist, könnte ich ebenso gut versuchen, eine Qualle an die Wand zu nageln. Als ich die Augen öffne, liege ich, den erschlafften Schwanz noch in der Hand, in der von Vogelgesang erfüllten Morgendämmerung.
Nach dem Frühstück (Porridge, Toast und Tee) steht mein Ritual mit Seeker auf dem Programm: Gewichte pumpen im Hof. Als ich in mein Zimmer zurückkomme, bin ich körperlich erschöpft, aber trotzdem aufgedreht. Normalerweise beste Voraussetzungen, um zu lesen, aber ich komme nicht zur Ruhe, kann mich nicht konzentrieren. Ein fürchterliches Gefühl von Angst und Verlust überfällt mich. Es ist so stark, dass es mich am ganzen Körper zittern lässt. Dann merke ich, wie mir das Atmen schwerer fällt und das Zimmer sich zu drehen beginnt. Ich schnalle, dass sich eine Panik- oder Angstattacke anbahnt. Rasch lege ich mich hin und versuche, meine Atmung unter Kontrolle zu bekommen, bis das Schlimmste überstanden ist. Glücklicherweise lässt das schreckliche Gefühl schnell nach, und alles ist wieder so, wie es vorher war. Fast alles zumindest – ich bin völlig fertig und habe Riesenschiss.
Während meines Einzelgesprächs mit Tom rege ich mich über jeden Scheiß tierisch auf. Er bemerkt es und fragt, was mir so an die Nieren geht. Ich antworte ihm, dass ich nicht darüber reden kann, verrate ihm aber so viel, dass ich mich wie ein ultramieses Arschloch gegenüber einer geliebten Person verhalten habe. Er empfiehlt mir, die Sache in meinem Journal aufzuschreiben, woraufhin ich fast wieder einen Anfall erleide. Dieses Mal allerdings ist es ein verbitterter Lachanfall. Danach ist die Sitzung zu Ende.
Ich komme nicht zur Ruhe, merke, dass mich etwas von innen her auffrisst. Probleme beim Luftholen plagen mich, obwohl mein Atemapparat besser in Schuss ist als jemals zuvor. Durch die Gewichte und die Übungen strömte der Sauerstoff bisher so geschmeidig in meine Lungen wie der Stoff aus der Kanüle in meine Blutbahn. Jetzt allerdings wird mir schwindelig, und ich schnappe nach Luft. Mit großer Mühe kämpfe ich mich durch die Attacke und denke dabei an Kierkegaard. »Angst ist der Schwindel der Freiheit«, meinte der mal. Vielleicht bin ich ja nicht dafür geschaffen, frei zu sein.
Ich bringe Stunden damit zu, mir das Hirn zu zermartern: Die Gedanken schießen mir mit solcher Geschwindigkeit und Wucht durch den Schädel, dass ich Angst habe, er könnte jeden Moment auseinanderplatzen. Tom hat recht: Ich habe keine andere Wahl. Ich muss sie in Worte fassen und aus meinem Kopf verbannen, bevor sie sich mit Gewalt ihren Weg bahnen. So schlage ich das Journal auf und beginne zu schreiben.
Journal-Eintrag: Wie ich Fiona betrog, indem ich mit Joanne Dunsmuir fickte
Ich war es, der mit der Sache anfing, in der Talisman Bar in der Waverley Station. Joanne und ich hatten zusammen mit Bisto und Fiona im Zug von London schon reichlich gebechert. Wir konnten einfach nicht aufhören, konnten und wollten unser wunderbares Abenteuer nicht beenden. In der Waverley stiegen wir als Edinburgher Fraktion aus und verabschiedeten uns von Bisto, der weiter nach Aberdeen hochfuhr. Die zwei trennten sich mit einem flüchtigen Kuss – das komplette Gegenstück zu der intensiven und emotional aufreibenden Trennung von Fiona und mir in Newcastle.
Wir gingen in die Bar im Bahnhof und genehmigten uns noch ein paar Drinks. Joanne machte sich Sorgen: Sie wollte nicht, dass andere Leute von ihr und Bisto erfuhren. Unsere Unterhaltung entwickelte diese Heftigkeit und Tiefe, die oftmals zu Spannungen zwischen den Geschlechtern führt. Aus einem verrückten Impuls heraus bat ich sie um einen Kuss. Einen Augenblick später knutschten wir herum. Wir waren wie von Sinnen.
»Was sollen wir jetzt machen?«, fragte sie mich mit einem entschlossenen Blick in den Augen.
Ich flüsterte ihr ins Ohr: »Ich denke, wir sollten ficken …«, und hatte dabei vor lauter Aufregung fast einen Instant-Orgasmus.
Hastig stiefelten wir aus der Bar und verließen den Bahnhof durch den hinteren Ausgang. Mit unserem Gepäck – Joanne hatte einen Rucksack, ich eine schäbige Sporttasche – liefen wir den Hügel hoch zum Eingang des Calton Hill Park, in den nachts immer die Homos zum Ficken gingen. Es war aber nicht nachts, sondern erst später Nachmittag – helles Tageslicht!
Dabei hatte ich mich gerade erst von Fiona verabschiedet! Dem Mädchen, in
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