Skagboys 01
dankbar bin.) Dieses alberne Gehabe ihrerseits wurde begleitet von jeder Menge Betteleien, Überredungsversuchen, Drohungen und – last but not least – dem durch pure Verzweiflung erzwungenen Rückgriff auf die Stichworte »Liebe« und »Heirat« meinerseits. Dabei ist Massima fast zwanzig Jahre alt! »Sie hat einen Freund«, hatte mich meine Cousine Carla gewarnt – allerdings erst nachdem sie uns im Stil einer angehenden Familienmatriarchin verkuppelt hatte. So mussten wir heimlich tun und uns wie entflohene Sträflinge zur Scheune schleichen.
Aber was soll’s? »Persevere« ist nicht nur das Motto von Leith, auch mein zweiter Vorname lautet »Durchhalten«! Und so sitze ich in dieser Bar, genieße meinen Kaffee und bin nicht im Geringsten darüber verärgert, dass Massimas Zug, der sie von einem anderen Drecksnest zwei Haltestellen weiter in das Dorf meiner Mutter bringt, bereits gute dreißig Minuten Verspätung hat. Wo ist der Duce eigentlich, wenn man ihn mal braucht? Egal. Ich könnte mir eh keinen besseren Ort zum Warten vorstellen als diese kleine gemütliche Bar, in der ich gerade ein paar fetten alten Männern am Nachbartisch beim Kartenspielen zuschaue.
Ich nippe an meinem Kaffee und lausche dem Zischen der glänzenden Espresso-Maschine, die ein wenig an die Dampfmaschinen vergangener Tage erinnert. Dabei muss ich daran denken, dass sich im Vergleich mit damals nicht allzu viel für die armen Wichser in diesem Kaff verändert haben dürfte: Selbst wer nur mal ficken will, muss sich ewig binden! Heute ist ein M-Tag, und das Wort des Tages lautet:
MALHEUR , Substantiv , Plural : die Malheure und Malheurs; 1. (umgangssprachlich) nicht sehr folgenschweres Missgeschick, Unglück, das den Betroffenen in eine peinliche Situation bringt; 2. (veraltet) Unglück, Unfall
Der Kick des Kaffees schiebt die Schläfrigkeit beiseite, mit der mich die durch das Fenster hereinströmende Nachmittagssonne einzulullen versucht. Als der Mann hinter der Bar die Kasse zuschiebt, ertönt das Klingeln einer kleinen Glocke. Auf einem sonnigen Fleckchen des gefliesten Fußbodens faulenzt eine dicke Katze mit rotem Fell, die mich an Keezbo erinnert. Ab und an schaut sie schläfrig auf, macht aber keinerlei Anstalten, sich zu bewegen, sodass die Kunden der Bar gezwungen sind, um sie herumzugehen oder über sie hinwegzusteigen.
Durch die teilweise aus Milchglas bestehenden Fenster der Bar kann ich zwei junge Kerle sehen, die zuvor am Flipperautomat gespielt haben und sich jetzt aus Spaß vor der Tür kabbeln. Einer der beiden trägt ein Trikot von Juve – dem Verein, dem auch mein Cousin die Daumen drückt. Es scheint viele Juve-Fans in dieser Gegend hier zu geben, obwohl sich das etwas geändert haben dürfte, nachdem der SSC Neapel Maradona verpflichtet hat. Eigentlich können einem diese armen kleinen Wichsfrösche richtig leidtun. So wie die Dinge hier laufen, meine lieben Fratellos, werdet ihr später mit den Folgen von jahrelang aufgestauter sexueller Frustration zu kämpfen haben. Man muss sich nur ansehen, wie die jungen Kerle hier unten Händchen halten – eine Mädchensache in Schottland –, und man weiß Bescheid. Und das läuft das ganze Teenager-Alter so! Man stelle sich mal vor: ich auf dem Walk, Hand in Hand mit Renton, Spud, Tommy oder gar Franco! Dem Generalissimo würde es vielleicht sogar gefallen. Hin und wieder stelle ich ihn mir in einer Schiffsjungen-Uniform vor, wie er auf der Freedom of Choice von einer Bande notgeiler Matrosen einen verbraten kriegt. Die Gedanken an zu Hause führen mich unweigerlich zu Mark und St. Monans. Ich öffne meine Brieftasche und ziehe ein paar gefaltete Seiten Papier hervor, die ich während der Reha aus seinem Mülleimer gefischt habe. Es sind Einträge aus seinem Tagebuch und seinem Journal. Ich musste sie einfach einstecken, nachdem er die Frechheit besessen hatte, während unseres Gesprächs einzuschlafen. Gerade als ich für mich bedeutsame Schlüsselkonzepte des Lebens und der Liebe mit ihm diskutieren wollte, war er weggeschnarcht. Eine solche Respektlosigkeit schreit geradezu nach einem Tribut. In der modernen Welt kann man sich derartige Fehltritte nicht leisten, selbst die kleinste Unachtsamkeit wird bestraft.
Tag 21
In den frühen Morgenstunden aus einem Traum über Fiona erwacht. Ich fasse sie an, drücke sie gegen eine Wand, aber sie nimmt eine grässlich dämonische Form an und gleitet mir durch die Hände. Obwohl sie sich in ein Monster verwandelt hat,
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