Skalpell Nr. 5
als achtzehn.
»Gestern Nacht habe ich eine Frau namens Theresa Alessis obduziert. Sie sollte heute Morgen vom Bestattungsunternehmen Fairview abgeholt werden, aber jetzt ist da der falsche Leichnam aufgebahrt. Ich muss wissen, ob letzte Nacht noch andere weibliche Leichen in der Halle waren.«
»Ich weiß nicht, ob ich befugt bin, Ihnen das zu sagen.«
»Es ist dringend. Nun sagen Sie schon!«, bellte Jake.
Die Antwort kam prompt. »Es waren noch zwei andere Leichen da: eine weiblich, eine männlich. Die Frau war Brigit Reilly, fünfundsiebzig. Gatte verstorben. Keine Kinder. Auf dem Totenschein steht Alzheimer. Laut Akte lebte sie in Sweetbrook.«
»Ein Pflegeheim.«
»Ja, Sir.«
»Und wohin wurde Mrs. Reillys Leichnam gebracht?«
»Shady Briar. Knapp vierzig Minuten von hier. Aber eins war seltsam.« Er stockte.
Jake seufzte entnervt. »Was war seltsam?«
»Heute am späten Vormittag ist ein Wagen vom Bezirksfriedhof gekommen, um Mrs. Reilly abzuholen. Ich hab denen gesagt, sie wäre schon weg, wir hätten Anweisung erhalten, sie zur privaten Bestattung nach Shady Briar zu schicken.«
Das Pochen in den Schläfen wurde schlimmer. »Mrs. Reilly sollte ursprünglich in einem Armengrab bestattet werden?«
»Ja, Sir.«
»Aber dann wurde ihre Leiche zum Bestattungsunternehmen Fairview geschickt?«
»Sieht so aus.« Jake sah förmlich das Achselzucken am anderen Ende.
Die Verwechslung konnte kein Zufall sein. Jake beschlich ein ungutes Gefühl. Petes Ermordung. Die gestohlene Flasche. Thompsons Anruf wegen der Knochen. Die Verwüstung in Petes Haus. Und jetzt eine fehlende Leiche. »Geben Sie mir mal die Telefonnummern von Sweetbrook und Shady Briar. Ich warne Sie, junger Mann, wenn dem Krankenhaus da ein Irrtum unterlaufen ist …« Aber es ist kein Irrtum. Es ist etwas viel Schlimmeres.
Im Pflegeheim Sweetbrook erklärte sich die Krankenschwester aus der Alzheimer-Abteilung bereit, zum Bestattungsunternehmen Fairview zu fahren, um sich die Leiche anzuschauen und Jake dann umgehend auf seinem Pager anzurufen. Eine Stunde später bestätigte sich sein Verdacht: Die Leiche, die vor Theresa Alessis trauernden Angehörigen lag, war tatsächlich Brigit Reilly.
Er rief Shady Briar an. »Ich bin Dr. Jake Rosen, und ich versuche, den Verbleib eines Leichnams ausfindig zu machen, der heute Morgen zu Ihrem Bestattungsunternehmen gebracht wurde«, erklärte er dem Direktor.
»Wir sind eigentlich kein Bestattungsunternehmen«, stellte der Mann klar. »Wir sind ein Mausoleum für die Beisetzung der sterblichen Überreste. Und natürlich ein Krematorium.«
Jake spürte, wie ihm das Herz vor Entsetzen gefror. »Die Leiche ist eingeäschert wurden?«
»Allerdings. Auf Wunsch des Sohnes.«
»Sie hatte gar keine Kinder! Das war nicht Mrs. Reilly. Mrs. Reilly liegt in einem Sarg im Bestattungsinstitut Fairview in Turner.«
»Ausgeschlossen«, sagte der Direktor. »Sie müssen sich irren, Dr. Rosen. Heute Morgen gegen sechs Uhr hat Mrs. Reillys Sohn angerufen und gesagt, seine Mutter sei im Baxter Community Hospital verstorben und er wolle sie so bald wie möglich einäschern lassen. Wir haben sie abgeholt – ihr Name stand deutlich auf dem Anhänger an dem Leichensack. Ich habe den Sohn persönlich kennengelernt. Ein höflicher Mann. Sehr gepflegt. Er hat bar bezahlt. Und wir nehmen unsere Pflichten sehr ernst, Sir.«
Das Entsetzen übermannte ihn, und ihm wurde schwindelig. »Wie sah der Sohn aus?«
»Schwer zu sagen. Ich kann Leute, die noch aufrecht stehen, nicht besonders gut beschreiben.« Er lachte leise. »Durchschnittlich groß, braunes Haar, vielleicht Mitte vierzig.«
»Hat er gesagt, dass er die Asche abholen will, oder hat er sonstige Anweisungen gegeben, was damit geschehen soll?«
»Bis jetzt noch nicht.«
»Ist das nicht ungewöhnlich?«
»Keineswegs. Manchmal kümmert sich jahrelang niemand um die sterblichen Überreste. Die Menschen wissen einfach nicht, was sie damit machen sollen. Deshalb bieten wir ja an, sie in unserem friedvollen –«
»Geben Sie die Asche auf keinen Fall heraus. An niemanden, es sei denn, Sie liefern sie persönlich an die Familie Alessis im Bestattungsinstitut Fairview.«
»Familie Alessis? Warum denn das?«
»Ich glaube, Sie haben mir nicht richtig zugehört. Sie haben die falsche Frau eingeäschert. Der ›Sohn‹ hat Sie dazu benutzt, Beweise zu vernichten.«
Pause. »Beweise?«
»Mrs. Alessis wurde ermordet.«
»Großer Gott!«
»Gott«, sagte
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