Skalpell Nr. 5
leuchtend rotem und orangefarbenem Seidenfutter und sah aus, als wollte er mit ihr in die Oper gehen, nicht zu einem Gerichtstermin.
Er rutschte auf den Beifahrersitz des Porsche. »Wer hat auf diesem Platz gesessen, oder sollte ich vielleicht fragen, was hast du darin getrieben? Bei so viel Beinfreiheit hattest du entweder ein Date mit einem Basketballspieler oder du –« Manny lachte. »Schweig still. Da hat Dr. Rosen gesessen.«
» Der Dr. Rosen? Der hinterhältige, verlogene, geldscheffelnde, unmoralische Schweinehund?«
»Genau der. Willst du wissen, was ich getrieben habe?«
»Natürlich will ich, meine Teure! Raus mit der Sprache. Das heißt, nur dann, wenn meine zarten Öhrchen es verkraften können.«
»Ich hab mich mit einem nackten Körper befasst.«
»Wusst ich’s doch! Schockierend, aber höchste Zeit.«
»Einem toten, nackten Körper. Ich hab Dr. Rigor Mortis, wie du ihn nennst, bei einer Obduktion assistiert. Ich war dabei, als er mit einem glatten Schnitt –«
»Aufhören!«, rief Kenneth. »Denk an meine Öhrchen!« Er starrte sie an. »Sei vorsichtig, mit wem du dich einlässt. Ich weiß, dass du auf mich aufpasst, aber vergiss nicht, ich pass auch auf dich auf.« Er gab ihr die Unterlagen, die er für sie vorbereitet hatte. »Der Antrag.«
Sie überflog den Schriftsatz. »Du bist ein Geschenk des Himmels. Ich wüsste keinen anderen Anwaltsgehilfen, der das so schnell hätte aufsetzen können.«
»Nichts gegen ein Kompliment aus deinem Mund. Aber ein Antrag, um den Staat daran zu hindern, irgendwelche Knochen zu bestatten? Die Nachricht, die du mir hinterlassen hast, ehe du dich mit dieser Perez getroffen hast, war selbst für deine Verhältnisse ziemlich meschugge.«
»Aber nein. Der Bezirksrichter von Baxter County ist bereit, kurzfristig über meinen Antrag auf Verwahrung der Skelette zu entscheiden. Ich hab den Anwalt angerufen, der Baxter County und das Krankenhaus vertritt, und ihm erzählt, was ich vorhabe; er wird auch da sein und Zeter und Mordio schreien, um mich dran zu hindern.« Sie ließ den Motor an. »Übrigens, du musst dich um eine neue Scheibe für das Beifahrerfenster kümmern. Ich erzähl dir unterwegs alles.«
Die alten Mahagoniwände des ehemals stolzen Gerichtssaales waren an einigen Stellen mit Walnussholzfurnier geflickt. Der einfache Mann kriegt Furnierholz, der reiche Konzern Marmor. Noch schlimmer war, dass die Rechtsuchenden eine Bearbeitungsgebühr zahlen mussten, ehe ihnen überhaupt Gehör geschenkt wurde. Als Manny den Betrag hinblätterte, war ihr klar, dass die Chancen, das Geld je wiederzusehen, verschwindend gering waren.
Sie kannte den Anwalt der Gegenseite: der gute, dicke, Toupet tragende Chester Gruen, einer von den Arrivierten, dem sie mal in New York auf ihrer ersten Tagung des Anwaltsverbandes begegnet war. Er hatte sie damit verblüfft, dass er auf seinen Schritt zeigte. »Gegen das da werden Sie vor Gericht niemals ankommen«, hatte er gesagt. Manny hatte die Augen zusammengekniffen. »Tut mir leid. Ich hab leider mein Vergrößerungsglas vergessen.« Der wird sich an mich erinnern, dachte sie jetzt, während sie unruhig am Anwaltstisch saß und auf den Richter wartete.
»Wieso sind Sie so ungeduldig, Ms. Manfreda? Ihr Mandant läuft Ihnen nicht weg«, sagte Gruen und lachte schallend über seinen eigenen Witz.
Manny widerstand der Versuchung zu fragen, ob es seit ihrer letzten Begegnung ein bisschen größer geworden war. Wahrscheinlich nicht, befand sie, und tröstete sich mit der Vorstellung, dass es sogar noch geschrumpft war.
Wie sich herausstellte, war Richter Melvin Bradford III. genauso unruhig wie sie. Manny begründete ihren Antrag kurz und bündig damit, dass es erforderlich sei, alle Skelette zu identifizieren, die mit dem von Lyons gefunden worden waren; falls es nämlich zwischen den Toten eine Verbindung gab, würde das ihre Behauptung untermauern, dass die psychiatrische Klinik zumindest ihre Pflichten vernachlässigt hatte.
Gruen, der sowohl Baxter County als auch das Bezirkskrankenhaus vertrat – ein eklatanter Interessenkonflikt, wie Manny fand –, versuchte, den Antrag als abwegig und lästig abzutun. »So etwas kostet den Steuerzahler in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sein hart verdientes Geld und bringt fälschlich eine Institution in Verruf, die über ein Jahrhundert lang die Stadt Turner mit Stolz erfüllt hat.«
Er hatte seine Hausaufgaben nicht gemacht; Manny dagegen schon, dank Kenneth.
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