Skalpell Nr. 5
Jake, »hatte nichts damit zu tun.«
Edward Dyson, der Verwaltungschef des Baxter Community Hospital, war die Schleimigkeit in Person. »Sie hätten die Papiere doch nicht persönlich herbringen müssen«, sagte er in seinem Büro zu Manny. »Richter Bradford hat mich schon angerufen. Leider zu spät«, fügte er hinzu und schob sich ein Gummibärchen aus einem Glas auf seinem Schreibtisch in den Mund.
Manny stockte der Atem. Sie hatte das Gefühl, als hätte sie einen Schlag in die Magengrube bekommen. »Zu spät?«
Statt einer Antwort drückte Dyson einen Knopf an seinem Telefon. Augenblicke später trat ein dünner Mann ein, der aussah, als käme er frisch von der High School. »Tommy«, sagte der Verwaltungschef, »das ist Ms. Manfreda. Erzählen Sie ihr, was Sie mir erzählt haben.«
»Mr. Dyson hat gesagt, wir müssen die Skelette aus der Klapsmühle aufbewahren. Aber ich hab ihm gesagt, dass die schon weggeschickt worden sind.«
Manny stand auf. »Wann?«
»Heute Morgen.« Er duckte sich wie ein verängstigtes Hündchen. »Sagen Sie nicht, dass ich schon wieder was falsch gemacht habe. Erst geb ich Leichen an die falschen Bestatter raus, und jetzt sind Knochen verschwunden.«
Ruhig bleiben. Tief durchatmen. »Hatten Sie Dienst, als die vier Skelette abgeholt wurden?«
»Jawohl, Ma’am.«
»Beschreiben Sie mir den Mann, der sie abgeholt hat.«
»Das war kein Mann. Es war eine Lady.« Er klang triumphierend, als hätte er eine Partie Rommé gewonnen.
»Na schön, eine Lady. Beschreiben Sie sie.«
»Alt.«
»Wie alt?«
»Um die vierzig.« Manny musste schmunzeln. »Haarfarbe weiß ich nicht. Hat ein Kopftuch getragen.« Er runzelte angestrengt die Stirn. »Hat so ’n formloses Kleid angehabt, so ’ne Art Hänger. Aber ich hab eigentlich nicht besonders auf sie geachtet. Sie hatte die Freigabepapiere dabei.«
Dyson hielt ihr ein paar Seiten leuchtend gelben Papiers hin. »Die Übergabe war vorschriftsmäßig«, sagte er. »Sehen Sie. Tommy hat alles richtig gemacht.«
Manny blickte kurz auf die erste Seite. »Die Knochen sind in die Leichenhalle der New Yorker Gerichtsmedizin gebracht worden? Mit den Röntgenaufnahmen? Und den Akten? Zu Händen Dr. Jacob Rosen?«
»Genau. Die Frau hat gesagt, sie ist eine Mitarbeiterin von ihm. Dr. Rosen hat mich dann selbst so gegen Mittag angerufen, aber wegen was anderem. Es ging um eine Leiche, nicht um Knochen. Doc Harrigan hatte die Knochen in Schubladen ausgelegt. Ich hab sie in Leichensäcke getan und der Lady mitgegeben.«
Erleichterung überkam Manny, obwohl sie stinksauer war, dass Jake ihr nicht Bescheid gesagt hatte. Vermutlich gab es für die Knochen keinen sichereren Aufbewahrungsort als die Leichenhalle der New Yorker Gerichtsmedizin. Ich werd ihn anrufen. Ihm ordentlich die Leviten lesen, dass meine Arbeit umsonst war. Er kann mir erzählen, was es mit dieser Leiche auf sich hat. Vielleicht sollten wir uns treffen und über die Vorteile von Teamwork reden. Sie lächelte in sich hinein. Das wäre schön.
Sie wandte sich an Dyson. »Kann ich eine Fotokopie von dem Auslieferungsschein bekommen?«
Er sah sie kaum an. »Natürlich. Wenn Sie gehen, kann Ihnen meine Sekretärin im Vorzimmer rasch eine machen.«
Jake hatte gerade mit Paula Koros telefoniert. Sie hatte die Nachricht von der Einäscherung ihrer Mutter mit müder Resignation hingenommen, die aber vermutlich später in Wut umschlagen würde. Eine neue Mandantin für Manny, dachte er.
Sein Telefon klingelte: die Anwältin persönlich. »Wollen Sie wissen, was Volltrottel auf Italienisch heißt?«, fragte sie.
»Eigentlich nicht. Worum geht’s denn?«
»Es geht darum, dass Kenneth und ich uns beide Beine ausgerissen haben, um einen Richter davon zu überzeugen, dass die Turner-Skelette aufbewahrt werden sollten. Auftrag erledigt. Wieso haben Sie mir nicht gesagt, dass Sie sie nach New York schaffen lassen würden?«
Er spürte ein plötzliches Stechen hinter den Augen. »Wie kommen Sie darauf?«
»Ich meine die Skelette Nummer eins, zwei, drei und vier und das ganze andere ›Zeug‹, um Richter Bradfords elegante Ausdrucksweise zu benutzen.«
»Ich hab sie nicht herbringen lassen.« Er hörte sie nach Luft schnappen.
»Müssen Sie aber. Ich hab die Überstellungsanweisung mit Ihrer Unterschrift drauf hier in der Hand.«
»Das kann nicht meine Unterschrift sein, weil ich nie eine solche Anweisung unterschrieben habe. Wer auch immer dafür gesorgt hat, dass die Knochen
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