Skandal im Ballsaal
verschiedene andere Strafen, die ausgereicht hätten, ein weitaus widerspenstigeres Mädchen als Phoebe zur Besin-nung zu bringen. Schließlich sah Phoebe so blass und eingeschüchtert aus, dass Lady Marlow sie entließ, damit sie über das Gesagte nachdenken konnte.
Phoebe floh in ihr Schulzimmer zurück. Hier fand sie nicht nur Susan, sondern auch ihre zwei jüngeren Schwestern: die dreizehnjährige Mary und die fromme Eliza. Susan, die bemerkte, dass Phoebe vor Neuigkeiten platzte, verwies Eliza sofort in die Kinderstube; Eliza protestierte natürlich, aber Susan drohte ihr nur, nichts der Mama zu erzählen, da sie sonst mit üblen Folgen würde rechnen müssen. Diese unheilvolle Warnung überwältigte Eliza, und da die schreckliche Erinnerung an jene große Schnecke, die sie einmal zwischen ihren Laken gefunden hatte, noch lebhaft in ihrer Erinnerung war, schickte sie sich an, der Jüngsten der Familie in die Kinderstube zu folgen. Bevor sie sich zurückzog, teilte sie Susan allerdings noch durch den Türspalt mit, sie sei die größte Bestie auf Erden. Unglücklicherweise kam in diesem Augenblick Miss Battery den Gang entlang und verbannte sie in ihr Schlafzimmer, weil sie eine Sprache verwende, die für eine junge Dame von Stand unschicklich sei. Eliza beklagte sich mit weinerlicher Stimme, dass Phoebe und Sukey so unfreundlich seien und ihr nicht ein einziges ihrer Geheimnisse erzählten, aber das brachte ihr nur denVerweis ein, sie fröne der Sünde der Neugierde. Miss Battery brachte sie unerbittlich in ihr Schlafzimmer, bevor sie selbst sich in den Schulraum begab.
Sie erreichte das Zimmer gerade, als Mary, ein bescheidenes Wesen, ihre Bücher zusammenpackte und ihre Schwester fragte, ob sie sich ebenfalls zurückziehen wolle.
„Nicht, außer Phoebe wünscht es", erwiderte Susan. „Du trägst ja Mama keine Geschichten zu!"
„Oh nein!", sagte Phoebe. „Natürlich möchte ich nicht, dass du gehst, Mary! Außerdem ist es kein Geheimnis." Sie sah sich rasch um, als die Tür aufging, und rief aus: „Oh, Sibby, wusstest du es? Hat es dir Mama bereits erzählt?"
„Nein", sagte Miss Battery. „Allerdings hörte ich zufällig etwas, was dein Papa zu ihr sagte. Ich konnte es nicht verhindern. Ich hielt es nicht für richtig, dir irgendwas zu sagen, aber als ich hörte, dass du in den Ankleideraum geholt wurdest, erriet ich wohl, was es sein müsse. Dein Papa hat für dich einen Antrag bekommen."
„Nein!", schrie Susan. „Phoebe, hat er wirklich?"
„Ja - wenigstens, denke ich - oh, ich weiß nicht, aber Mama scheint zu glauben, er wird mich heiraten, wenn ich mich nur entsprechend benehme!"
„Oh, ausgezeichnet!", erklärte Susan und klatschte in die Hände. „Wer ist es? Wie konntest du so hinterlistig sein und niemals ein Wort darüber verraten? Hast du ihn in London getroffen? Ist er leidenschaftlich in dich verliebt?"
„Nein", gab Phoebe unverblümt zurück.
Diese entmutigende Einsilbigkeit dämpfte Susans Begeisterung. Miss Battery blickte Phoebe ziemlich bekümmert an; und Mary sagte gleichmütig, sie vermute, Leute von Rang verliebten sich nicht.
„Das ist genau das, was Mama sagt, und ich weiß, dass es nicht wahr ist!", sagte Susan spöttisch. „Nicht wahr, Ma'am?"
„Das weiß ich auch nicht", erwiderte Miss Battery kurz.
„Und du auch nicht. Du solltest in deinem Alter nicht an so etwas denken!"
„Puh, ich bin beinahe sechzehn, und ich kann euch versichern, ich beabsichtige, einen Mann zu bekommen, sobald ich kann! Phoebe, hör auf, dich so zu zieren, und sag uns, wer es ist!"
„Ich ziere mich nicht!", sagte Phoebe empört. „Ich bin völlig verzweifelt; es ist der Herzog von Salford!"
„W-was?", keuchte Susan. „Phoebe, du elende Person, du führst uns an! Man stelle sich vor, du und Herzogin!"
Phoebe war durch den plötzlichen Ausbruch ihres herz-lichen Gelächters nicht im Geringsten beleidigt, aber Mary sagte heftig: „Ich denke, dass Phoebe eine sehr nette Herzogin abgeben wird."
Das brachte auch Phoebe zum Lachen, aber Miss Battery nickte und sagte: „Das würde sie sicher!"
„Wie kannst du das sagen?", hielt ihr Phoebe vor. „Wenn ich nicht das geringste Bedürfnis nach feiner Lebensart habe und nie weiß, was ich zu Fremden sagen soll, oder ..."
„Ist er vornehm?", unterbrach Susan eifrig.
„Oh, ungemein! Das heißt, ich weiß nicht, aber ich glaube, er ist es. Er ist immer sehr gewählt gekleidet und besucht alle vornehmen Gesellschaften, und im Park
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