Skandal im Königshaus Meisterspionin Mary Quinn 3
die schlammbespritzte und durchnässte Mary. »Meine Liebe, den ganzen Weg zu Fuß? Wie absolut unnötig.«
»Ich habe einen Spaziergang gebraucht, Mrs Frame«, sagte Mary zur Erklärung. Angesichts der Schönheit und dem leicht theatralischen Auftreten Felicitys wurde sie wie immer etwas schüchtern. »Und der Regen macht mir nichts aus.«
Etwas schimmerte in den Augen von Felicity – Mary war fast sicher, dass sie nachbohren würde –, doch sie sagte nur: »Du musst es wissen.«
»Setz dich ans Feuer«, sagte Anne und schloss leise die Tür hinter sich. »Da wirst du rasch wieder trocken.« Sie setzte sich auf einen der Stühle Mary gegenüber, während Felicity stehen blieb. Es war eine etwas unbehagliche Situation, aber keiner der beiden Frauen schien das aufzufallen.
Es entstand ein seltsames, zögerndes Schweigen, das Mary schließlich brach. »Ich habe mich über Ihre Nachricht gewundert.«
Anne nickte. »Die Umstände sind äußerst ungewöhnlich. Als Erstes möchte ich betonen, dass er nichts mit deiner Leistung in diesem Fall zu tun hat.«
Ein Zentnergewicht fiel ihr vom Herzen und sie atmete etwas auf. »Da bin ich aber erleichtert.«
»Um genau zu sein, finde ich es ziemlich schade, dass du so darauf bestehst, Mary zurückzurufen«, sagte Felicity mit samtener, aber eindeutig streitlustiger Stimme zu ihrer Kollegin.
Anne blinzelte mehrmals – ein Anzeichen, dass sie verärgert war, wie Mary aus Erfahrung wusste. »Lass uns erst mal die Lage erklären, ehe wir zu Vorwürfen und Vermutungen übergehen.«
Felicity lächelte mit einer Mischung aus Triumph und Verärgerung. »Die Erklärung ist ganz einfach, meine Liebe.« Es war nicht klar, ob sich »meine Liebe« auf Anne oder Mary bezog. »Wie bekannt ist, soll die gesamte Kanalisation von London demnächst instand gesetzt und ausgebaut werden; das betrifft auch die alten Abwässerkanäle unter dem Buckingham-Palast, die laut meinen Kontakten zur Regierung in äußerst beklagenswertem Zustand sind. Aus derselben Quelle habe ich den Namen der Firma erfahren, die damit beauftragt ist, diese dringenden und streng vertraulichen Reparaturen durchzuführen. Es handelt sich um –«
Mary sah sie ungläubig an. Sie würde doch nicht sagen … oh Gott, alles, nur das nicht.
»– das Bauunternehmen Easton.«
Mary starrte Felicity einen Augenblick an. Sie wollte den Namen nicht gehört haben. Ihre Wangen, ihre Stirn, selbst die Ränder ihrer Ohren glühten, was bedeutete, dass sie feuerrot geworden war. Das Herz schlug ihr wie wild an die Rippen. In ihrer Kehle saß ein Kloß. Es war grotesk. Ein schlechter Witz. Absolut lächerlich, sich vorzustellen, dass sie in einer Stadt von einer Million Seelen immer wieder die Wege dieses einen Mannes kreuzen sollte. In einem Roman wäre es ihr unglaubwürdig vorgekommen.
»Du verstehst, warum wir gezwungen waren, dich abzuziehen«, sagte Anne, »auch wenn es für unseren Fall äußerst bedauerlich ist. Wir müssen eine neue Agentin einsetzen und noch mal von vorne anfangen. Und wir müssen es natürlich unserem Auftraggeber erklären.«
Mary unterließ es, zu den nur allzu logischen Ausführungen von Anne zu nicken. Ihre Gedanken überschlugen sich noch immer, und sie sagte das Erste, das ihr dazu einfiel: »Das Bauunternehmen Easton ist eine kleine Firma. Warum hat man gerade sie ausgewählt? Und keine andere?«
Felicity nickte. »Du hast ganz recht; sie sind mit Sicherheit keine naheliegende Wahl, und eine große Zahl altgedienter Unternehmen würde sich die Finger nach dem Auftrag lecken – wenn sie davon wüssten, meine ich.«
Mary kämpfte gegen den Wunsch an, das Gesicht in den Händen zu verbergen. »Der Auftrag ist geheim?«
»Ja – weil die Arbeiten ein Sicherheitsrisiko darstellen. Mr Eastons Einsatz am St. Stephen’s Turm vergangenen Sommer muss den Beauftragten des Arbeitsausschusses sehr beeindruckt haben, denn auf sein Anraten hin haben die Zuständigen im Palast die Firma beauftragt.«
»Ich nehme an, dass es sich beim Leiter des Projekts nicht um George Easton handelt«, sagte Mary.
»Es handelt sich um den jüngeren Mr Easton«, sagte Felicity mit einiger Genugtuung. »James, wie du ihn nennst, soviel ich weiß.«
Prompt wurde Mary wieder rot und glühte noch mehr als zuvor. »Nicht mehr«, sagte sie fast scharf, so wichtig war ihr diese Feststellung. »Ich habe keinen Kontakt mehr zu ihm.«
Felicity grinste.
»Dann sind die Abwasserschächte also mit der
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