Skandal im Königshaus Meisterspionin Mary Quinn 3
öffentlichen Kanalisation verbunden«, sagte Mary aufs Geratewohl. Sie wollte Felicity unbedingt von dem Thema ablenken.
»Ja – daher ist es ja so eine delikate Angelegenheit«, sagte Anne. Sie sprach leise und schnell und ohne in Felicitys Richtung zu blicken. »Aus naheliegenden Gründen darf die Öffentlichkeit nicht von der Existenz dieser Kanäle erfahren. Die Leitungen sind jedoch in beklagenswertem Zustand – geradezu gefährlich, wie wir von unserer Quelle erfahren haben.Sollten sie einbrechen, würden sie nicht nur den Abfluss eines unterirdischen Wasserlaufs behindern, sondern die Fundamente des Palastes selbst aushöhlen.«
Mary nickte. »Wenn die Arbeit unter solchen geheimen Bedingungen ausgeführt wird, besteht doch aber überhaupt keine Gefahr, dass ich ihm begegne.«
Felicity nickte. »Stimmt; sie werden es wohl kaum unter den Dienstboten verbreiten.« Sie warf Anne einen Blick zu. »Ich fand gleich, dass die Abberufung etwas übereilt war.«
»Sie würden doch unterirdisch arbeiten«, fuhr Mary fort. »Die meisten meiner Pflichten beschrän ken sich auf einen einzigen Flügel des Palastes. Die Chance, ihm zu begegnen, ist minimal.« Sie wollte sich selbst mindestens ebenso sehr überzeugen wie ihre Arbeitgeberinnen.
»Es behagt mir nicht«, sagte Anne. »Ein winziger Zufall – Mary wird wegen einer Besorgung losgeschickt oder Mr Easton kommt nach oben, um frische Luft zu schnappen – und die ganze Sache fliegt –«
»Selbst wenn sie sich begegnen würden«, sagte Felicity, beugte sich plötzlich vor und sah Mary mit ihren grünen Augen fest an, »wäre das denn so schlimm? In dem Mordfall am Big Ben ist deine Tarnung trotz eines zufälligen Treffens nicht aufgeflo gen .«
»Umso mehr Grund, sich nicht noch mal aufs Glück zu verlassen!« Anne sprach niemals scharf; siebehielt ihren gemessenen Ton, der typisch für ihre Besonnenheit war. Doch diesmal war ihre Stimme so ungewöhnlich heftig, dass Mary sie sprachlos anstarrte.
Felicity lächelte jedoch nur. »Reg dich nicht auf, Anne.«
Anne fuhr herum und sah Felicity unwillig an. »Wenn du deine Privatangelegenheiten schon so ungehindert vorantreibst, Felicity, solltest du wenigstens an die Sicherheit unserer Agentinnen denken. Oder ist das etwa schon zu viel verlangt?«
»Ach komm— ein mögliches Zusammentreffen mit James Easton soll Marys Sicherheit gefährden? Diese Paranoia und solcherlei Vorwände sind deiner unwürdig, Anne.«
»Halt!« Mary sprang abrupt auf, wollte den Streit unbedingt beenden. »Dann ist meine Abberufung also noch nicht beschlossene Sache? Sie haben noch nicht endgültig entschieden, was geschehen soll?«
»Dich von dem Fall abzuziehen, war meine Idee«, räumte Anne ein.
»So viel zu gemeinsamer Entscheidungsfindung!«, murrte Felicity.
»Es gibt nämlich neue Entwicklungen – nicht direkt im Zusammenhang mit dem Fall, aber von dramatischer Bedeutung für die königliche Familie persönlich. Davon sollten Sie erfahren, ehe Sie eine endgültige Entscheidung treffen.« Mary stieß die Worte impulsiv hervor und beobachtete gleichzeitig ihre Wirkung auf die beiden Frauen. Auch wenn sieihre Aufmerksamkeit erregt hatte, starrten sie einander immer noch an, gefangen in ihrer eigenen privaten Auseinandersetzung, die Mary nicht ganz begriff.
Sie fuhr trotzdem fort und berichtete von den Ereignissen der Nacht; und zwar von allen Einzelheiten, außer ihrer möglichen Verbindung zu Lang Jin Hai. Beim Erzählen merkte sie, wie sich das Interesse der Frauen immer mehr ihr zuwandte. Sie trug die Angelegenheit leise und sachlich vor, aber es war dennoch eine aufsehenerregende Geschichte. Skandal! Mord! Verrat! Vertuschung! Es waren Informationen, so stellte Mary triumphierend fest, die die Agentur keinesfalls ignorieren konnte.
»Wie wäre es«, schloss sie, »wenn ich Mr Easton vorab von meiner Anwesenheit in Kenntnis setzen würde? Auf diese Weise wäre er im unwahrscheinlichen Fall, dass wir uns begegnen, gewappnet. Es würde das Risiko für mich reduzieren.«
»Es würde das Risiko reduzieren«, stimmte Anne zu, doch Widerstreben und Interesse stritten sich noch in ihr. »Wenn auch nicht so sehr, um dich absolut zu schützen.«
»Mit James Easton Kontakt aufnehmen«, murmelte Felicity. »Ich dachte, du bist nicht darauf erpicht, ihn erneut zu treffen?«
Mary schluckte heftig. Nach ihrer letzten Unterredung mit James – und seiner Weigerung, sie anzusehen, als sie ihm von ihrer
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