Skandal um Lady Amelie
wollte er sie schlagen.
Sie hatte Hurst während ihrer Ehe kennengelernt und hatte ihn eine Zeit lang für freundlich, klug und charmant gehalten. Er war ein häufiger Gast gewesen und hatte regelmäßig mit Sir Josiah Karten gespielt, der allerdings im Gegensatz zu Hurst immer wusste, wann es genug war. Hurst jedoch war maßlos, nicht nur beim Spiel, sondern auch beim Trinken. Er machte maßlose Schulden und maßlose Versprechungen.
Wenn sie ihm damals nicht ebenso viel Freundlichkeit erwiesen hätte wie allen anderen Freunden ihres Gatten, wäre er vielleicht nie dem Wahn verfallen, sie empfinde etwas für ihn. Leider kannte er weder Disziplin noch Beherrschung, sodass seine Schwächen ihn schließlich vereint zu Fall brachten. Heute musste sie ihn fürchten, er war eine Bedrohung, und das Mitleid, das sie ihm einst entgegenbrachte, war längst in Rauch aufgegangen.
„Lassen Sie mich los, Mr. Hurst“, sagte sie ruhig, obwohl sie ob seiner Anmaßung innerlich vor Zorn bebte. „Sie müssen sich vergessen haben. Ich kann Ihnen ein Darlehen geben, und dann erwarte ich, dass Sie anderswo eine Unterkunft finden. Hier können Sie nicht bleiben, es wäre Ihrer Sicherheit nicht zuträglich. Sehen Sie, ich besitze einige einflussreiche Freunde.“ Vielleicht funktionierte dieser Bluff ja.
Verdutzt ließ er sie los. Da er sie kannte, ging er nicht davon aus, dass sie nur aufschnitt. „Meinen Sie etwa den Marquis of Sheen? Sein Sohn … wie heißt er, Elyot? Dann kennen Sie den Mann, der in Buxton Klatschgeschichten über Sie ausgräbt?“
„Ich glaube, so kann man das nicht nennen, Mr. Hurst.“ Hastig suchte sie nach einer Geschichte, die sie ihm auftischen konnte. „Er klärte lediglich eine Sache im Zusammenhang mit Sir Josiahs Besitz. Der Mann, mit dem Sie sprachen, war Lord Elyots Sachwalter, der natürlich einem völlig Fremden nicht die Art seines Auftrags aufdecken würde. Die Namen der Nachbarn, die er aufsuchte, hatte er von mir. Sie zogen wohl zu dramatische Folgerungen, Mr. Hurst. Übrigens müsste er jeden Tag aus Manchester zurück sein.“
Jäh ließ Hurst sich in einen Sessel sinken und umklammerte die Armlehnen so fest, dass seine Knöchel weiß hervortraten. „Was? Sie kennen Lord Elyot und seinen Vater? Wahrhaftig?“
„Selbstverständlich“, sagte sie spöttisch, sich für ihre Geschichte erwärmend. „Glauben Sie, ich hätte hier wie ein Eremit gelebt? Vor wenigen Augenblicken erst ist Miss Chester mit dem Bruder Lord Elyots ausgefahren, um seine Schwester zu besuchen.“
Als ihm die Bedeutung dessen dämmerte, kam ihm seine hochfahrende Haltung abhanden. Gespielt skeptisch fragte er: „Sie wollen mir doch nicht weismachen, dass er jemanden ausgeschickt hatte, weil, äh … ein, äh … Einverständnis zwischen Ihnen beiden besteht? Nachdem Sie erst fünf Wochen hier sind?“
„Er regelt bei meinem Rechtsberater einige Angelegenheiten für mich. Es ist wohl die übliche Vorgehensweise, hörte ich.“
„Das war nicht meine Frage“, sagte er giftig. „ Gibt es ein Einverständnis zwischen Ihnen und diesem Mann?“
„Gewissermaßen.“ Ihr wurde eiskalt bei dieser schamlosen, absurden Lüge, doch nie zuvor hatte sie den Schutz eines Mannes nötiger gebraucht als jetzt. Sie hatte nur eine Entschuldigung: Lord Elyot würde nie erfahren, dass sie sich ausgerechnet unter den Schutz seines Namen begab. „Sie stellen sehr taktlose Fragen, Mr. Hurst. Es ist noch nicht allgemein bekannt.“
Hurst lehnte sich zurück und musterte sie misstrauisch. Ein Mann, der sie in fünf Wochen erobern konnte, musste einmalig sein. Selbst der reiche Chester hatte länger um sie werben müssen, aber damals war sie auch erst zwanzig gewesen und noch ein grünes Ding. „Ah, noch nicht? Das klingt mir sehr so, als ob Lord Elyot es auch noch nicht wüsste.“
„Dann werden Sie Gelegenheit haben, ihn selbst zu fragen, denn ich erwarte jeden Moment seinen Besuch.“ So, das sollte ihn dazu bringen, sich davonzumachen.
Zu ihrer Freude zeigte ihr Schachzug Wirkung. Hurst stand langsam auf und griff nach seinem Hut, offensichtlich besorgt, dass er jeden Augenblick auf den einflussreichen Sohn eines Marquis treffen könnte. Allerdings wagte er noch einen Versuch. „Wie ist es mit Geld?“, sagte er. „Ein kleiner Beitrag zu meinen Kosten, wenn Sie so freundlich sein wollen. Dann überlasse ich Sie Ihrem Liebhaber. Reden wir hier übrigens von Gattin oder Geliebter?“
Amelie erbleichte vor Wut. „ Wir
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