Skandal um Lady Amelie
Gepäck?“
„Nein, es ging um meine liebe Schwester. Eine Heimsuchung. So etwas geschieht leider“, flüsterte er betrübt. „Lady Chester war unendlich großzügig.“ Sein Blick voller Hingabe, Verehrung und widerlicher Intimität war eine schauspielerische Meisterleistung und verursachte Amelie Brechreiz.
Als sie nun endlich Lord Elyots Blick begegnete, übertrug sie unversehens all ihre Wut und Demütigung der letzten halben Stunde auf ihn. Das Gespräch mit Hurst hatte sie aufgewühlt, aber keine ihrer Fragen beantwortet, und so unsagbar erleichtert sie über Lord Elyots Unterstützung war, war ihr doch, als ob ihre absurde Lüge einer finsteren Gewitterwolke gleich über ihrem Haupt schwebte.
„Wie sehr ich Ihnen zustimmen muss, Mr. Hurst. Lady Chesters Güte und Generosität waren die Eigenschaften, die sie mir so besonders anziehend machten. Also, mein Bester, ich kann Ihnen mehrere exzellente Gasthöfe in Richmond empfehlen, zum Beispiel den Red Lion oder The Feathers.Andererseits – dreimal täglich geht die Postkutsche nach London. Vielleicht möchten Sie lieber darauf zurückgreifen, sobald Ihr Gepäck eintrifft. Ah, Sie verstehen mich schon.“
Mit diesen Worten langte Lord Elyot um Hurst herum zum Türgriff und öffnete den Flügel, hinter dem der treue Henry schon wartete.
Argwöhnisch, mit grimmig gerunzelter Stirn, musterte Hurst sein Gegenüber, vermied jedoch sorgsam jeden Blick auf den Geldbeutel, der ihm jedenfalls endgültig verloren war. Sich verneigend sagte er: „Ihr Diener … Mylady … Mylord“, und ging hinaus.
Trotz der Klemme, in der sie nun saß, atmete Amelie erst einmal dankbar und erleichtert auf. Wäre sie weinerlich veranlagt gewesen, wäre sie jetzt wahrscheinlich in Tränen ausgebrochen und hätte sich ihrem Retter in die Arme geworfen. Da jedoch zwangsläufig eben dieser Retter nun eine überzeugende Erklärung erwarten würde, verharrte sie, die Hände vor ihrem Mund wie betend ineinander verschränkt – was in gewisser Weise auch zutraf –, und fragte sich, was um Himmels willen sie vorbringen konnte.
Dass ihr einiges bevorstand, erkannte sie, als sie seine Miene sah, die seine Worte begleitete: „Also, meine liebe Lady Chester, der hatte zweifellos Dreck am Stecken. Sie haben wahrhaft merkwürdige Freunde. Ich fürchte, wenn wir erst offiziell miteinander verlobt sind, muss ich Ihnen den Umgang mit ihm untersagen. Der geht nun wirklich nicht, meine Liebe. Ist überhaupt nicht gesellschaftsfähig.“
„Ich erwartete Sie erst am Nachmittag“, murmelte Amelie vorwurfsvoll zwischen ihren Fingern hervor.
„Ja, und natürlich wären Sie außer Haus gewesen. Beträgt man sich so dem zukünftigen Gatten gegenüber?“
„Bitte … nein. Sie müssen bemerkt haben, dass Sie der letzte Ausweg für mich waren.“
„Herzlichen Dank! Als solcher wurde ich, glaube ich, noch nie betrachtet. Höchstens vielleicht während meiner Schulzeit!“
„So meinte ich es nicht.“
„Wie denn dann? Und wer war dieser Esel mit seiner Lügengeschichte?“
Sie schüttelte den Kopf.
Er zog ihr die Hände vom Mund. „So spricht sich’s besser.“ Sacht führte er sie zu einem Stuhl, drückte sie darauf nieder und schenkte ihr aus einer Karaffe ein Glas dunkler Flüssigkeit ein. „Hier, ich weiß nicht, was das ist, aber trinken Sie erst einmal einen Schluck.
„Brombeersaft. Danke.“ Gehorsam trank sie.
„Wie, war das Getränk etwa auch für mich bestimmt? Himmel!“, murmelte er gequält.
„Lord Elyot, ich schulde Ihnen eine Erklärung und eine Entschuldigung, weil ich mich Ihres Namens bediente. Ich war davon ausgegangen, dass Sie es nie erfahren würden, und in jenem Augenblick musste ich diesem grässlichen Mann vortäuschen, dass ich einflussreiche Freunde hier habe.“
„Nun, das ist immerhin im Verhältnis zu ‚letzter Ausweg‘ eine Verbesserung. Aber wenn Sie voraussetzten, ich würde davon nichts erfahren, was, glauben Sie dann, tut der Bursche gerade in der nächsten Schenke? Natürlich lässt er jeden in seiner Nähe wissen, dass seine sehr gute Freundin Lady Chester im Einverständnis mit Lord Sheens ältestem Sohn steht! Ich bin recht dankbar, noch vor den anderen Bewohnern Richmonds erfahren zu haben, wer meine nächste Partnerin ist. Sie verstehen meine Erleichterung hoffentlich?“
Diese Möglichkeit war ihr überhaupt nicht in den Sinn gekommen. „Oh, meinen Sie wirklich, das täte er?“, fragte sie schwach.
„Na, ich an seiner Stelle täte
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