Skandal um Lady Amelie
Sie! Ein Duell ist rasch vergessen, sehr rasch! Nicht aber die Abstammung. Erinnere ich mich da nicht an eine Geschichte aus der Jugend Ihrer zukünftigen Schwiegermutter? Aber ich sollte besser die Katze noch nicht aus dem Sack lassen, was?“
Ehe Lord Eylot etwas darauf entgegnen konnte, wandte sich ein Herr aus der Gruppe neben ihnen um, und Amelie sah sich einem weiteren Bekannten aus ihrer Vergangenheit gegenüber. „Mr. Lawrence“, sagte sie lächelnd. „Sie sind auch hier! Ich bin erfreut!“
Der berühmte Maler verneigte sich schwungvoll, küsste die ihm dargebotene Hand und hielt sie noch einen Moment in der seinen. Der Mann, der einst als Wunderkind gegolten hatte, war zum populären Porträtmaler avanciert, dem auch Amelie und ihr Gatte kurz nach der Hochzeit Modell gesessen hatten. „Mylady“, sagte er so ernst, dass Amelie wusste, es werde ein neckendes Kompliment folgen, „kann es sein, dass Sie noch entzückender geworden sind? Ah, mir kommt ein Gedanke! Sie müssen das erste Bild abhängen und mir erlauben, ein neues von Ihnen zu malen, das das alte ersetzen soll. Mylord“, wandte er sich an Lord Elyot, „Sie müssen mich unterstützen. Es kann Ihnen doch nicht entgangen sein, wie sehr ihre Schönheit sich gewandelt hat.“
Eine Verneinung hätte seltsam gewirkt, aber Lord Elyot war der Lage gewachsen. „Natürlich nicht“, sagte er. „Doch selbstverständlich können wir das erste Bild nicht entfernen. Ein neues muss her. Sollen wir gleich ausmachen, wann Sie zur ersten Sitzung kommen wollen?“ Ohne die mindeste Überraschung zu zeigen, weil Amelie mit dem königlichen Hofmaler bekannt war, lenkte er das Gespräch elegant in eine andere Richtung.
„Ich danke Ihnen, Sir“, flüsterte Amelie ihm zu, als er sie zu ihrem Platz zurückführte, da der zweite Teil des Konzerts eben anhub. „Kann Sie eigentlich je etwas aus der Fassung bringen?“
Seine Augen blitzten amüsiert. „Oh ja“, sagte er leise, während er den Blick hinab auf ihr Dekolleté gleiten ließ. „Aber das muss Sie nicht überraschen, Mylady. Versprach ich Ihnen nicht meinen Schutz? Doch zum Dank müssen Sie mir nun auch das Porträt zeigen. In welchem Zimmer hängt es?“
„Äh …“ Amelie betrachtete angelegentlich die Perlen auf ihrem Retikül. „In meinen Privaträumen.“
Auch in seiner Stimme klang nun Amüsement. „Nun, da werden Sie mir Einlass gewähren müssen, sonst kann ich ja nicht beurteilen, wie sehr Sie sich verändert haben.“
„Woher wussten Sie, dass das Bild, das ich Ihrer Schwester schenkte, in der Royal Academy ausgestellt war?“ Sie zupfte an einer aus der Reihe weichenden Perle.
„Auf der Rückseite klebte noch die Kennzeichnung. Ich hatte es schon in Ihrem Arbeitsraum gesehen. Davon wollten Sie mir wohl auch nicht freiwillig erzählen?“
„Ein paar Geheimnisse muss ich Ihnen schon vorenthalten.“
„Aber nicht mehr lange.“
„Sir!“, flüsterte sie, sich umschauend, ob jemand ihr Gespräch verfolgen könnte.
„Ja?“
„Still bitte.“
Er nahm ihre Hand in die seine und ließ sie wie unabsichtlich auf seinem Schenkel ruhen, bis die Höflichkeit es gebot, zu applaudieren, da ein Sängerquartett das Podium betrat. Die Virtuosen trugen mehrere zeitgenössische Stücke vor, doch sosehr Amelie Musik liebte, dieses Mal wanderten ihre Gedanken immer wieder zu der Behauptung Lord Dysarts, dass die wenigsten Leute hier sich um einen Skandal scherten. Als Beispiel hatte er die Indiskretionen angeführt, die die Marchioness selbst einst beging, wohingegen Lord Elyot angedeutet hatte, dass seine Eltern nicht einmal den Hauch eines Skandals dulden würden. Allerdings zog sie aus Lord Dysarts Äußerungen auch den beunruhigenden Schluss, dass sie trotz ihrer exzellenten Erziehung und der Ehe mit einem Baronet in der feinen Gesellschaft nicht akzeptabel war. Und das lag Amelie schwer auf der Seele. Selbst wenn niemand das Geheimnis ihrer bürgerlichen Herkunft aufdeckte, würde sie niemals einen solchen abscheulichen Betrug zulassen. Und so würde ihre auf unsicheren Füßen stehende Verbindung mit Lord Elyot zu seiner Erleichterung bald hinfällig werden.
Ohne Zweifel hätte ihr das nicht allzu viel ausgemacht, wenn nicht ihre Gefühle mit ihr durchgegangen wären. Sie hatte, was sie für Josiah empfand, für Liebe gehalten. Nun wusste sie es besser. Der Schmerz, das Sehnen, das wie ein Fieber brennende Verlangen, das sie fühlte, verrieten es ihr, und ihr zerbarst fast das
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