Skandal um Lady Amelie
Herz, Tränen traten ihr in die Augen, und ihr Atem ging bebend im Einklang mit dem schwellenden Crescendo der herrlichen Stimmen.
Seine warme Hand legte sich abermals über die ihre, doch anstatt zu beruhigen verstärkte die Berührung ihre innere Erregung noch, sodass sie sich dem nur mit höchster Selbstbeherrschung zu verschließen vermochte.
Als endlich der Applaus aufbrandete, wandte sie sich Caterina zu und sah, dass die Nichte ebenso ergriffen war wie sie selbst.
„Das war so wunderbar!“, rief das junge Mädchen, während es begeistert klatschte. Dort oben möchte ich auch stehen! Herrlich!“
„Wie, du möchtest in der Öffentlichkeit singen?“
„Ja, ich traue es mir zu. Ganz bestimmt!“
„Was meint sie?“, fragte Lord Elyot.
„Sie möchte Sängerin werden.“
„Dann sollten wir sie Signor Rauzzini vorstellen. Das ist der Tenor dieses Quartetts; er hat das letzte Lied selbst komponiert. Er wäre der beste Lehrer.“
„Kennen Sie ihn?“
„Nicht persönlich, aber Salomon wird uns vorstellen.“ Er sah sie forschend an. „Wie fühlen Sie sich?“
„Gut, Mylord. Es lag nur an der Musik.“ Trotz seines Schweigens wusste sie, dass er nicht überzeugt war.
Offensichtlich hatte der angenehme Abend die Differenzen zwischen Lord Seton und Caterina ausgeräumt, denn die Heimfahrt in der engen Stadtkalesche gestaltete sich recht gemütlich, obwohl über beiläufige Bemerkungen hinaus nur wenig gesprochen wurde.
Es stellte sich jedoch heraus, dass sich die Brüder über die weitere Gestaltung des Abends unterhalten haben mussten. Nachdem sie, in der Paradise Road Nr. 18 angekommen, den Damen aus dem Wagen geholfen und sie in die Halle geleitet hatten, wünschte Lord Seton eine gute Nacht, verabschiedete sich sehr knapp und eilte zur Kutsche zurück.
„Wohin will er?“, fragte Amelie verblüfft.
„Nach Hause“, entgegnete Lord Elyot, der gerade Henry seinen Umhang reichte.
„Wie? Nach Sheen Court?“
„Gehen wir weiter? Ich glaube, Sie wollten mir ein Bild zeigen.“
Amelie wartete, bis Caterina die Treppe erklommen hatte und im Gang verschwunden war. „Nein … sehen Sie, es ist schon spät. Was sage ich …?“
„Warum sollten Sie etwas sagen?“, fragte er. „Im Übrigen denke ich, dass Sie neben Ihrer Haushälterin auch einen Butler brauchen.“
„Ich brauche keinen Butler!“
„Aber doch! Hier entlang?“
So hatte sie sich das nicht gedacht, vor allem nicht, während ihre Gefühle noch derart im Aufruhr waren und so vieles für sie noch ungewiss war. Und vor allem nicht auf sein Geheiß. Unwillig ging sie voran in den Blauen Salon, den Lord Elyot so bewundert hatte. Heute Abend standen die Flügeltüren zwischen Salon und Speisezimmer offen, warmes Kerzenlicht erhellte den Raum, und in der seidig glänzenden Tischplatte spiegelte sich eine Schale cremefarbener Rosen, deren Duft ihnen entgegenwehte.
„Das war nicht sehr subtil“, tadelte Amelie und warf Handschuhe und Retikül auf ein Tischchen an der Wand. „Wenn Sie sich bedienen wollen?“ Sie wies auf ein Tablett mit Gläsern und Karaffen. „Ich will rasch Caterina Gute Nacht sagen.“
Jäh war der Zauber des Abends dahin; hier schien es nur noch um die Erfüllung eines Vertrages zu gehen.
Als sie einige Minuten später zurückkehrte, hatte ihr Gast es sich in der Ecke eines zierlichen Sofas bequem gemacht, ein gefülltes Glas neben sich auf einem Tisch. Bei ihrem Eintritt erhob er sich. „Darf ich Ihnen etwas einschenken? Was hatten Sie letztens, Brombeersaft?“, fügte er neckend hinzu.
„Ich glaube, ich nehme auch einen Brandy.“
„Kommen Sie, Mädchen“, sagte er leise lachend und zog sie sanft neben sich. „Ist es denn wirklich eine so schwere Prüfung für Sie?“ Zärtlich ließ er eine ihrer Locken, die sich über ihre Wange auf den Busen hinabringelte, durch seine Finger gleiten. „Nun? Bekomme ich das Porträt zu sehen?“
Die kleine, unbedeutende Geste ließ sie bis in die Knie hinein erbeben und erinnerte sie daran, wie wenig geübt sie in der Kunst war, sich umwerben zu lassen und derartigen Vertraulichkeiten zu begegnen. Stocksteif, beinahe angriffslustig saß sie neben ihm. „Für Sie mag das gut und schön sein“, murmelte sie, „doch ich war noch nie in einer solchen Situation. Gibt es keinen anderen Weg?“
Lässig erhob er sich, reichte ihr seine Hand und zog sie mit leichtem Nachdruck von ihrem Sitz. „Reden wir oben darüber. Wartet Ihre Zofe auf Sie?“
„Nein, ich
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