Skandal um Lady Amelie
hinunterkommen“, sagte er gravitätisch und stellte seine Last auf einem Tischchen ab.
„Bitte fragen Sie doch Lord Elyot, ob er ebenfalls speisen möchte.“
Als sei dieses Prozedere die natürlichste Sache der Welt, gab Killigrew die Frage weiter und wandte sich dann mit der Antwort wieder an seine Herrin. „Mylord sagt, da er, um bei Mylady zu bleiben, sein Dinner verpasst hat und da …“
„Ja oder nein?“, fragte Amelie ungeduldig.
„Äh … ja, Mylady.“ Der Butler warf dem Gast, der bequem in seiner Ecke des Sofas lehnte, einen Blick zu. „Dann bringen Sie bitte ein zweites Tablett. Und Wein für Seine Lordschaft.“
Diesem Wunsch wurde in kürzester Zeit entsprochen, ein weiteres mit köstlichen Dingen beladenes Tablett wurde gebracht und die Speisen auf dem Tisch angerichtet.
Nachdem Killigrew sich entfernt hatte, herrschte eine Weile Stille, nur von gelegentlichem Porzellan-oder Besteckklappern unterbrochen, bis Lord Elyot sich zurücklehnte und seine Frage, Caterina betreffend, erneut stellte.
„Sie wird heute Nacht bei den Elwicks bleiben“, erklärte Amelie. „Tam feiert mit ein paar Freunden seinen Geburtstag.“
Nach einem letzten Bissen legte Lord Elyot das Besteck nieder und tupfte sich die Lippen mit der Serviette ab. „Und du billigst das?“
„Sonst hätte ich sie kaum gehen lassen.“
„Aber ohne dich?“
„Ja.“ Sie sah ihn herausfordernd an. „Mr. und Mrs. Elwicks und Hannahs Anwesenheit tut der Schicklichkeit Genüge. Ich sollte auch kommen, doch weil ich die Einladung nach Kew nicht ablehnen wollte, bot Mrs. Elwick an, Caterina könne über Nacht bleiben, damit ich nicht den Wagen für sie schicken muss. Daran ist nichts Ungehöriges.“
„Nun, Tam Elwick wäre vielleicht ungehörig.“
Nun legte auch Amelie das Besteck nieder. Besorgt musterte sie seine ernste Miene. „Mylord, behaupten Sie, dass Tam Elwick unpassende Gesellschaft ist? Inwiefern?“, fragte sie, wieder in die förmliche Anrede verfallend.
„Ich möchte ihn nicht verleumden. Er ist mein Schwager, also ein Familienmitglied. Und er ist Miss Chesters Freund. Vielleicht glaubst du mir, dass es besser wäre, wenn sie den Umgang mit ihm einschränkt. Lass mich einfach sagen, die Bekanntschaft mit ihm wird ihrem Ansehen in höheren Kreisen nicht guttun. So, ich habe schon zu viel gesagt.“
„Nein, ich muss wissen, wo es bei dem jungen Herrn hapert.“
„Am Anstand, auf mein Wort.“
„Nun, ich will Ihnen glauben. Allerdings weiß ich wirklich nicht, wie ich es, ohne nähere Einzelheiten zu erwähnen, Caterina beibringen soll, dass sie Tam nicht mehr sehen darf, nachdem ich ihr schon erlaubt hatte, bei den Elwicks zu übernachten.“
„Natürlich kann sie ihn immer noch treffen, doch besser nur in deiner Begleitung. Begründe diesen Schritt nicht, sondern sorge einfach dafür.“
„Die Warnung hat wohl nichts mit Lord Seton zu tun?“
„Nicht im Mindesten. Amelie, Seton braucht bei jungen Damen meine Hilfe nicht. Wir sind nur einfach beide um Miss Chesters moralische Sicherheit besorgt. Sie ist eine entzückende, lebhafte junge Dame, und mein übermütiger Schwager hat noch nicht erkannt, dass es ebenso schwerwiegende Konsequenzen haben kann, die Grenzen der Schicklichkeit zu streifen, wie sie gänzlich zu übertreten. Wie du selbst weißt, ist die Grenze sehr fein gezogen. Für Miss Chester ist Tam vermutlich der weltgewandte, kultivierte Beau, nur hat er unglücklicherweise sein Gewissen in Eton gelassen – wenn er je eines hatte. Aber nun habe ich wirklich zu viel gesagt.“
„Nein, danke für die Warnung.“ Sie lehnte den Kopf an das Polster. „Nur frage ich mich, inwieweit sich Tam Elwicks moralisches Rüstzeug von dem seiner zwei älteren Schwäger unterscheidet, die ja beide im Ruf stehen, Lebemänner zu sein. Könnte er wohl Beispiele vor Augen haben? Oder geht es hier um Rang und Titel? Der Adel kommt mit solchen Dingen davon, der gewöhnliche Sterbliche nicht?“, sagte sie bitter.
„Diese Bemerkung ist deiner nicht wert, Amelie“, entgegnete er. „Wir reden hier über Miss Chesters Zukunft. Es geht nicht um Tam; der kann tun, was er mag. Wenn du meine Warnung ignorierst, meinetwegen. Ich bin weder Miss Chesters Vater noch ihr Hüter.“
„Ja. Es tut mir leid, das war billig. Sie haben so viel für sie getan, und dafür bin ich dankbar, wie sie auch.“
„Ich habe es für dich getan, doch die Entscheidung liegt bei dir.“ Er musterte sie scharf. „Tut dir der
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