Skandal um Lady Amelie
wie er sie hatte glauben lassen. Auch wenn sie das Thema noch nicht wieder aufgegriffen hatte, konnte sie sich doch des Gefühls nicht erwehren, dass sie eher seinen Ruf schonte, indem sie die Verlobung nicht öffentlich widerrief. Nur weil sie für das Zustandekommen verantwortlich war, versagte sie es sich, erneut mit ihm darüber zu diskutieren. Nein, nicht nur – auch weil sie möglicherweise daraus als Siegerin hervorgehen könnte, was einiges über ihre Gefühle aussagte.
In der folgenden Woche würde sie sich erneut als Lord Elyots Zukünftige zu bewähren haben, denn er hatte sie gebeten, bei einer Dinnergesellschaft auf Sheen Court als Gastgeberin zu fungieren. Der Abend sollte Caterina die Möglichkeit geben, in freundschaftlicher Atmosphäre – es waren nur ausgewählte Verwandte und Nachbarn eingeladen – ihren Gesang vorzutragen. Ein besonderer Gast war Signor Rauzzini, der noch in der Gegend weilte.
Eine Veranstaltung dieser Größenordnung zu organisieren, fiel Amelie nicht schwer, obwohl Sheen Court um ein Beträchtliches größer war als ihr früheres Heim. Rasch hatte sie sich mit den Gegebenheiten vertraut gemacht und traf gleich bei dem ersten tastenden Gespräch mit Küchenchef und Butler den richtigen Ton, sodass sie in deren Augen bald schon unfehlbar war.
Amelie sparte weder Mühe noch Kosten, um ein kulinarisch gelungenes, harmonisches, von herzlicher Atmosphäre durchdrungenes Fest zu gestalten. Vor allem aber sollte Caterinas Gesang im Mittelpunkt stehen.
Trotz ihrer Jugend musste man Caterina eine bemerkenswerte Singstimme zugestehen, einen kraftvollen und doch schmelzenden Mezzosopran von erstaunlichem Umfang. Die wenigen Wochen Unterricht mit dem neuen Lehrer hatten ihre Stimme erstaunlich verbessert und ihre natürliche Ausdruckskraft und ihr Verständnis für die Musik außerordentlich gefördert. Als sie nun nach dem Dinner ihren Vortrag aufnahm, waren die Gäste vom ersten Ton an wie gebannt von der jungen Dame, die nicht nur herzzerreißend köstlich sang, sondern auch mit ihrem kastanienbraunen Haar und in der schneeweißen Robe vor dem Hintergrund aus weißen Lilien und Rosen einen hinreißenden Anblick bot.
Signor Rauzzini war hingerissen, sprach von der Entdeckung eines großen Talents und gratulierte überschwänglich. Die junge Dame dürfe um nichts in der Welt ihre Ausbildung abbrechen, und er wünschte, sie wäre seine Schülerin. Ob sie wohl noch einmal für ihn singen wolle? Unter vier Augen, ehe er nach Bath zurückkehrte?
Natürlich sagte Caterina sofort zu; darauf hatte sie nicht einmal zu hoffen gewagt. Für sie war dieser Abend ein besonderer Erfolg, da sie nun nicht nur mit einflussreichen Bekannten und einer reichen Tante, sondern auch noch mit einer wunderbaren Stimme auftrumpfen konnte. Damit war sie nun wirklich etwas Besonderes.
Amelie fand, ihr großes Opfer trage langsam Früchte; nur sollte Lord Elyot keinesfalls denken, dass das allein ihm zu verdanken wäre, und den Lohn dafür einheimsen. Schließlich habe ja ich die Mühen der Vorbereitung auf mich genommen, dachte Amelie. Sicher, die Veranstaltung hatte Caterina ins Rampenlicht gesetzt, doch auch er hatte davon profitiert, denn nun war in aller Munde, dass Elyot endlich in seinem eigenen Heim mit der zukünftigen Gattin zur Seite als Gastgeber fungierte. Wenn das kein Schritt voran war!
Als er die beiden Damen also weit nach Mitternacht zurück zur Paradise Road begleitete und diskret durchblicken ließ, dass er zu bleiben wünschte, nahm er Amelies Entschuldigung, sie sei zu müde, mit Anstand hin und kehrte bereitwillig nach Sheen Court zurück.
Die nächsten Tage vergingen wie im Flug. Caterina bereitete sich auf das Vorsingen bei Signor Rauzzini vor, Amelie empfing Besucher, schrieb Briefe und nahm diverse Anwärter auf das neue Amt des Butlers in Augenschein. Sie rettete ein armseliges kleines Bürschchen aus der Gosse, ließ es in reinlichen Zustand bringen und vertraute es der Obhut des ersten Grooms an, der ihm Arbeit im Stall zuwies. Ferner besuchte sie das Arbeitshaus mit einer Spende an Kleidern und einer Summe Geldes für die jungen Mütter und ließ wissen, dass die Mutter der kleinen Emily als Wäscherin in ihrem Haushalt unterkommen könne, natürlich mit dem Baby. Auf dem Heimweg beglückwünschte sie sich selbst dazu, dass sie ja nun die rechte Vorgehensweise gewählt hatte.
Als am Tage darauf Lord Elyot und Lord Seton in der Paradise Road vorsprachen, wurde ihnen von dem
Weitere Kostenlose Bücher