Skandal um Lady Amelie
hier in die Intimität ihres Schlafzimmers eingedrungen war. Rasend vor Wut, weil sie ihn nicht hatte abschütteln können und weil er so völlig gelassen war, riss sie sich das Samtcape von den Schultern und warf es schwungvoll weithin in den Raum, dann wirbelte sie zu ihm herum, hob ihr Retikül und schleuderte es ihm mit aller Kraft entgegen. „Da!“, schrie sie. „Darum geht es! Tu nicht so, als wüsstest du nicht, was los ist!“
Reaktionsschnell fing er das Geschoss, das seinen Kopf hätte treffen sollen, auf und legte es fort. „Was soll ich wissen?“
Sie konnte ihre widersprüchlichen Gefühle, ihre schmerzhafte Verwirrung nicht artikulieren – gleichzeitig liebte und hasste sie den Mann, hasste ihre Unsicherheit und die Gewalt, die er über sie hatte, verlangte nach ihm und wollte ihn abweisen. Unfähig, all das zu formulieren, suchte sie ihr Heil in der Gewalt. Sie sprang ihn förmlich an, riss die Fäuste hoch und hämmerte im Takt ihrer Anschuldigungen auf ihn ein. „Du weißt es! … Diese Frauen … wie konntest du mit ihnen sprechen! … Mit ihnen tanzen! … Sie anlächeln! … Dich von ihnen anfassen lassen! … Du gehörst ihnen nicht! … Du gehörst mir!“ Tränen liefen ihr über die Wangen, die bloße Erwähnung ihrer Rivalinnen brachte sie noch stärker außer Fassung, und sie konnte ihm nicht einmal richtig wehtun, denn er hielt ihre Handgelenke umklammert, sodass ihre Schläge ihn kaum berührten. „Du bist mit ihnen gegangen, dabei brauchte ich dich! Ich brauchte dich!“
„Aber du hast mit Seton getanzt“, wandte er erstaunt ein.
„Ich brauchte dich … dich, du Tölpel! Warum bist du weggegangen, um diese … diese …?“
„Pscht, das stimmt ja gar nicht …“
„Doch! Du warst ja nicht im Saal … und sie waren auch draußen. Lüg mich nicht an!“
„Ich habe dich noch nie belogen.“
„Doch! Wegen des Skandals … du sagtest, deine Mutter wäre so streng … und … dass … ach, dass du mir nur helfen wolltest … und überhaupt lügst du immer!“
„Ich glaube“, sagte er grimmig, „am besten lässt sich dieser Streit hier … schlichten!“ Ohne weitere Umstände hatte er sie aufgehoben und auf das bereits für die Nacht bereitete Bett gehievt, dann setzte er sich auf ihren langen Rock und bückte sich, um sich die Schuhe auszuziehen.
Nach ein paar vergeblichen Versuchen, ihn fortzuschubsen oder ihr Kleid zu befreien, gab sie auf. Zorn tobte in ihr, weil sie ihn begehrte, begehrte, wie jede Frau es getan hätte, die gesehen hätte, dass jene beiden … Frauen zimmer , anstatt ihm zu grollen, sich in seiner Bewunderung sonnten. Wie sie selbst sich darin sonnte. Wäre sie sich seiner sicher gewesen, hätte sie anders reagiert, doch er war der bei Weitem attraktivste Mann dort gewesen; er strahlte eine animalische Anziehungskraft aus, der sich keine Frau entziehen konnte, sobald er ihr Aufmerksamkeit gönnte. Ein einziger Blick von ihm, und man dachte nur noch an ihn, fragte sich, ob seine Worte nicht vielleicht zweideutig klangen und wie es wohl wäre, mit ihm zu schlafen. Amelie wusste nun, wie es war, genau wie jene beiden Frauen, und dass die es beide gern erneut erfahren wollten, stand ihnen nachgerade auf der Stirn geschrieben. Wie konnte sie, mit diesem Bild vor Augen, noch glauben, dass er nur an sie dachte, wenn er mit ihr schlief? Sollte es ihr tatsächlich bestimmt sein, nur eine von den vielen zu sein, an die er sich bald nur noch genüsslich erinnern würde?
In blanker Wut kämpfte sie erneut gegen ihn, doch er war zu stark, sodass sie schließlich unterlag und bald schon seine Haut auf der ihren spürte, gefährlich erregend, als er sich dichter über sie beugte, bis sie sich nicht mehr rühren konnte.
Offensichtlich brachte Amelie es nicht über sich, von ihren Sehnsüchten, ihrer größten Angst zu sprechen, und war sich nicht im Mindesten bewusst, wie sehr sie sich schon durch ihre Worte und Taten verraten hatte. Sie das wissen zu lassen, war er jedoch noch nicht bereit, und solange sie sich der Unvernunft ergab, das wusste er, würde sie seine Erklärungen sowieso nicht hören wollen.
Von daher hätte ihr Liebesspiel für einen zufälligen Zuschauer eher wie ein Duell gewirkt, in dem Amelie um ihre Ehre kämpfte, und eben diesen Eindruck beabsichtigte sie. Gerade jetzt brauchte sie diese Vorspiegelung als Rechtfertigung. Zu ihrem Glück war Nicholas einfühlsam genug, nicht nur, um das zu verstehen, sondern es auch hinzunehmen, und so
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