Skandal um Lady Amelie
einging, bitte den Ball nicht zu vergessen, den Lady Sergeant am gleichen Abend für ihre Tochter gab, stimmten Amelie und Caterina überein, dass sie unmöglich absagen konnten, so gern sie auch wegen der gestrigen Aufregungen Unwohlsein vorgeschützt hätten.
Theodosia Sergeant wurde ihren Eltern erst nach langer Ehe beschert, und trotz verzweifelter Bemühungen der inzwischen verwitweten Lady Sergeant war die inzwischen nicht mehr ganz junge Dame eine alte Jungfer geworden, die von Tag zu Tag unansehnlicher wurde. All die Gesellschaften, Bälle und Picknicks hatten ihr vorrangig angestrebtes Ziel verfehlt, und nun war Lord Elyot, ebenso wie sein Bruder, ihrem Netz ein für alle Mal entwischt. Lady Sergeant hatte seine Erwählte auf der Gesellschaft im Castle Inn getroffen und sich zur persönlichen Befriedigung ihr gegenüber sehr unhöflich gezeigt. Und nun war Lord Seton ebenfalls aus dem Rennen, da er allem Anschein nach jeden Moment mit seiner Einberufung rechnen musste.
Allerdings hatte die Gastgeberin noch ein Ass im Ärmel, das zwar die Liebenden vielleicht nicht zu trennen vermochte, jedoch zumindest der erwählten Dame Ärger bereiten würde, diesem Neuankömmling, der so rasch so erfolgreich war, wo die eigene Tochter immer wieder elend versagt hatte. Außerdem schien Lady Chesters Herkunft zu wünschen übrig zu lassen, von welcher Warte man es auch betrachtete.
Lord Elyot, der die Politik verfolgte, jede Einladung anzunehmen, die Caterina weiterbringen konnte, glaubte, dass er zusammen mit seinem Bruder und Lady Chester die junge Dame sicher über alle ihrem Vergnügen hinderlichen Klippen bringen könnte. Hätte er gewusst, dass Lady Sergeant speziell an Amelies „Vergnügen“ dachte, hätte er sicherlich empfohlen, der Veranstaltung fernzubleiben.
Wie stets bemühten Amelie und Caterina sich um eine perfekte äußere Erscheinung, ohne so auffallend gekleidet zu sein, dass sie die fade Theodosia in den Schatten gestellt hätten.
Beide Seiten hatten übrigens ohne Worte die Diskussion über den Aufruhr des Vortages auf einen günstigeren Zeitpunkt verschoben. Trotzdem verlief das Gespräch während der Fahrt zum Ball ein wenig steif, und Caterina wagte kaum, den Herren ins Gesicht zu schauen, aus Furcht, in deren Blicken Tadel zu sehen, verdient oder unverdient.
Auch nachdem sie die Angelegenheit wiederholt überdacht hatte, neigte Amelie noch dazu, dass Tamworths Vergehen auf einem Missverständnis beruhen müsse. Da sie bisher nicht wusste, wie sein Vater die Sache sah, verhielt sie sich den Brüdern gegenüber ein wenig kühl. Und so ging der erste Tanz des Balles, den sie wenig später mit Lord Elyot absolvierte, recht schweigsam vonstatten.
Der frostigen Gastgeberin gegenüber betrug sie sich äußerst freundlich und hielt es auch nicht anders mit der sechsundzwanzigjährigen Theodosia, die dreinschaute, als wäre sie am liebsten meilenweit von ihrer Mutter fort. Erfreut sah Amelie, dass Caterina sich sehr bemühte, die junge Dame in ein Gespräch zu ziehen, und bemerkte, dass Lord Elyot seinen Pflichten als guter Gast nachkam, indem er Theodosia zum Tanz führte.
Ebenso bemerkte sie allerdings auch, wie gut er zwei der Gäste kannte, beides schöne, elegante Damen, und wie zuvorkommend er mit ihnen tanzte, es aber sichtlich vermied, ihr die Damen vorzustellen. Als sie ihn später deswegen befragte, sagte er: „Wünschen Sie das, Mylady? Ich fürchte, unsere Gastgeberin hat die beiden einzig eingeladen, um mich – und Sie – in Verlegenheit zu bringen. Sie beobachtet uns die ganze Zeit mit Habichtsaugen, um zu sehen, ob es ihr gelungen ist. Bisher, denke ich, habe ich sie enttäuscht.“
„Ah, ich verstehe“, sagte Amelie und schaute unauffällig zu Lady Sergeant hinüber, wobei ihr Blick jedoch flüchtig an den beiden reizenden Geschöpfen haften blieb, die in so hauchfeine Gazegewänder gehüllt waren, dass man jedes Glied und jede Rundung ihres Körpers sehen konnte. Vermutlich hatten sie den Stoff zu diesem Zweck vor dem Tragen sogar leicht angefeuchtet. Bei jeder ihrer Bewegungen blitzten im tiefen Dekolleté Diamanten, wallten zarte Schals wie feine Nebel, und aus den zierlichen Sandalen lugten golden lackierte Zehennägel hervor. „Ja“, fügte sie hinzu, „bitte stellen Sie sie mir vor. Warum soll ich nicht Ihre ehemaligen Mätressen kennenlernen, da ich demnächst wohl selbst zu diesem Kreis gehören werde?“
„Nun, wenn Sie darauf bestehen. Nur lassen Sie sich bitte
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