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Skandal um Lady Amelie

Skandal um Lady Amelie

Titel: Skandal um Lady Amelie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Landon
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Schrift! Also hatte er sich entgegen ihren Erwartungen nicht endgültig davongemacht, und der Mann, der ihr seinen Schutz versprochen hatte, war nicht hier, um ihr beizustehen, und würde wohl auch nicht mehr erfahren, dass Hurst sie erneut plagte. Also würde sie wie früher allein damit fertig werden müssen.
    Eine Stunde später, in ihrem Arbeitsraum, brach sie mit zitternden Fingern das Siegel und las:
    Endlich bin ich in der Lage, Ihnen eine Adresse zu geben, un ter der Sie mich erreichen können. Mit Ihrer gütigen Unterstüt zung hätte ich längst eine Unterkunft gefunden, wenn unsere letzte reizende Zusammenkunft nicht so unfreundlich unter brochen worden wäre. Ihr Kummer ob dieser Zwickmühle blieb mir nicht verborgen, und ich werde niemals die Hoffnung auf geben, bald für immer mit Ihnen vereint zu sein. Bis dahin bete ich, dass dieser Mann Sie nicht so schlecht behandelt wie der andere. Wen ich meine, werden Sie wissen. Mehr will ich zu diesem schmerzlichen Thema nicht sagen.
    Ich machte hier einige interessante Bekanntschaften, die Sie nur billigen können. Gestern Abend zum Beispiel traf ich ein Ehepaar aus Manchester, von dem ich, als ich die Familie Carr aus jener Stadt erwähnte, erfuhr, dass es mit Mr. und Mrs. Robert Carr einmal bekannt war. Es verwunderte mich – wie lange doch Erinnerungen frisch bleiben können. Ich fühlte mich Ihnen plötzlich wieder besonders nahe. Jedoch verlor ich eine beträchtliche Summe an die Leute und wäre Ihnen sehr verbun den, wenn Sie einen Beitrag zu meinen steigenden Ausgaben leisten würden. Ich schulde schon zweihundert Guineas und werde noch mehr brauchen. Bleiben Sie tapfer, mein liebes Herz, und vertrauen Sie darauf, dass ich nach Kräften auf unsere ge meinsame Zukunft hinarbeite. Ihr alleruntertänigster Diener …
    Lange verharrte Amelie, den Brief in der Hand, und lauschte dem bangen Schlag ihres Herzens; in ihrem Kopf wirbelte alles durcheinander. Zwei Dinge las sie aus dieser Sudelei – einmal, dass er ihr, indem er seine Zuneigung in gleichzeitig drohendem und vertraulichem Ton äußerte, Angst machen wollte, während er gleichzeitig – für Lord Elyot bestimmt – den Eindruck zu erwecken wünschte, dass sie eine Beziehung gehabt hatten. Das allerdings brauchte sie nicht zu berücksichtigen, da dieser Gentleman den Brief nicht zu Gesicht bekommen würde.
    Der andere Punkt erwies sich als noch bedenklicher: Offensichtlich hatte er jemanden getroffen, der ihre Eltern gekannt hatte. Was genau hatte er erfahren? Und was würde er mit diesem Wissen anfangen, wenn sie diesen „Beitrag zu seinen Ausgaben“ nicht leistete? Fest stand, er musste bezahlt werden, ehe er noch einmal versuchte, sie vor Lord Elyot in Misskredit zu bringen.
    Endlich legte sie das Schreiben zur Seite. Ob sie es besser sofort vernichtete? Nein, irgendwo musste seine Adresse stehen. Las sie vielleicht zu viel in seine Worte hinein? Nein, vermutlich nicht. Sollte sie Lord Seton um Rat fragen? Nein, sie war schon einmal allein mit Hurst fertig geworden. Warum war Lord Elyot auch ohne Erklärung nach London verschwunden? „Ha“, flüsterte sie vor sich hin, „ich schätze, ich weiß es.“
    Sanft drückte sie ihre Hände auf ihr Herz; eine süße Schwäche machte ihr die Glieder schwer, und sie seufzte tief auf, von Erinnerung überwältigt. Welch eine Nacht war das gewesen! Selbst er, mit all seiner Erfahrung und seinen feurigen Geliebten, musste so empfunden haben.
    Noch einmal fasste sie den Brief ins Auge und entschied, ihn vorläufig sicher zu verwahren. In diesem Augenblick klopfte es überraschend an der Tür, und sie schob das Blatt hastig unter einen Stapel Bilder, als Henry eintrat und Lord Setons Besuch meldete.
    Im Morgensalon absolvierte Caterina ihre Gesangsübungen, und ihre liebliche Stimme klang über den Korridor herüber. Lord Seton blieb einen Augenblick stehen, als wollte er auch noch den letzten Ton hören, ehe sich die Tür hinter ihm schloss. Dann verneigte er sich und sagte: „Mylady, ich hoffte, Sie anzutreffen.“
    Amelie lächelte höflich. „Ja, Mylord, gestern hatten Sie sich so rasch entfernt, dass wir Ihnen nicht einmal richtig danken konnten. Möchten Sie meine Nichte besuchen?“
    „Nein, ich möchte Sie sprechen, Madam, möchte erklären …“
    Mit einer Geste bat sie ihn, Platz zu nehmen, und ließ sich dann selbst in einem Sessel nahe dem Fenster nieder. „Es geht um Mr. Elwick?“
    Falls sie ihn verblüfft hatte, zeigte er es nicht.

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