Skandal um Lady Amelie
Tee tranken und warme Muffins aßen, kühlte ihre Streitsucht langsam ab.
Schließlich äußerte Lord Elyot: „Es gäbe eine Alternative. Seton möchte mit Caterina sprechen. Er glaubt, und da gebe ich ihm recht, dass es am besten wäre, ihr alles zu erklären. Amelie, sie ist eine Frau, und sie verdient, als solche behandelt zu werden. Seton wird bald zu seinem Regiment ausrücken müssen, möglicherweise ist er für Jahre fort. Er möchte mit ihr befreundet bleiben, nur …“
„Nur ist sie zu jung für ihn und nicht sein Typ. Meinst du nicht, die Wahrheit täte es auch?“
„Fändest du es besser, wenn Seton ohne ein Wort nach Richmond zurückführe oder sie einfach ohne Aussprache abreisen ließe?“, fragte er. „Willst du ihr nicht Gelegenheit geben, allein mit ihm zu sprechen, damit sie selbst entscheiden kann? Oder bist du so wild entschlossen, ständig die Entscheidungen für alle Chesters zu treffen?“
„Ich? Was um Himmels willen meinst du damit? Stephen hat Caterina in meine Obhut gegeben und sich über keine meiner Entscheidungen beklagt, oder?“
„Bei mir nicht. Aber da er nun einmal hier ist, kannst du es unbesorgt ihm überlassen, nicht wahr? Und er meint ebenfalls, dass Seton mit ihr sprechen sollte. Kann ich noch Tee haben?“
„Ich will nicht, dass er sie aus der Fassung bringt.“
„Das wird er schon nicht. Und selbst wenn, sie hat ein Recht auf die Wahrheit.“
„Ah, Recht auf Wahrheit! So! Dann darf ich vielleicht auch erfahren, was du bezüglich meines familiären Hintergrundes in London unternommen hast.“ An seiner aufreizend ruhigen Haltung konnte sie nicht ablesen, ob er es ihr sagen wollte oder nicht, und während sie ihm Tee nachschenkte, trat leider Stephen Chester ein.
Mit einem auffordernden Blick zu Mr. Killigrew sagte sie höflich: „Ah, Stephen! Du nimmst doch sicher Tee und Muffins, nicht wahr?“
Da Stephen seit vielen Jahren schon Witwer war und nicht mehr daran gewöhnt, gesellige Konversation zu machen, stürzte er sich kopfüber in eine langatmige Beschreibung all der Plagen und Beschwernisse der letzten beiden Tage, die ihn sichtlich aufgebracht hatten. So nörgelnd und stur hatte Amelie ihn noch nie erlebt.
Dahinter steckte mehr, als er offenbarte. Zum einen hatte er nicht erwartet, dass Amelies Bewerber so auffallend gut aussehend und dazu beträchtlich jünger als er selbst wäre. Außerdem hatte es ihm einen Schock versetzt, dass Lord Elyot Amelie so offen für sich beanspruchte. Auch hatten ihn das Mitgefühl und die Unterstützung überrascht, die Lord Elyot und dessen Bruder ihm angedeihen ließen. Ihm wäre lieber gewesen, wenn er Caterina nach all seinen Bemühungen selbst gefunden hätte, und nun fühlte er sich überflüssig und unerwünscht, sogar von Amelie, die er zu seiner großen Enttäuschung gemütlich bei Tee und Muffins mit diesem berüchtigten Lebemann plaudernd vorfand.
Und obendrein wünschte Lord Seton auch noch mit Caterina zu sprechen und zwang ihn so, seine Tochter, sein kleines verwirrtes Mädchen, zum ersten Mal als eine liebende junge Frau zu sehen. Ein Jammer nur, dachte er, dass dieser schneidige Kerl nicht um sie anhält.
Was Amelie ungeheuer verblüffte, war allerdings Lady Adornas fadenscheinige Entschuldigung, warum sie sich nicht an der Suche nach Caterina beteiligt hatte, die Stephen, unterstützt von Lord Elyot, hier wiedergab. Sie war den ganzen Tag nicht daheim gewesen, sondern mit einem Bekannten unterwegs – wer das war, verschwieg sie. Die Kinder waren Hannah und Tam überlassen, mit der Maßgabe, sie auf jeden Fall im Hause zu halten. So hatte sie erst, als sie zum Dinner heimkehrte, von der Suche nach Caterina erfahren, nahm aber an, die Sache müsse sich längst erledigt haben, und sah keine Veranlassung, sich bei Amelie zu melden.
„Stell dir vor, wie verblüfft sie war, als sie heute Morgen ihre Brüder und einen völlig Fremden in ihrem Salon vorfand, die alle ziemlich finster dreinschauten.“
Vermutlich aus Reue ließ Adorna ausrichten, dass sie sie alle morgen vor dem Konzert im Kurhaus zum Dinner lade.
„Morgen?“, fragte Amelie mit einem gequälten Blick zu Lord Elyot. „Warum erwähnten Sie das nicht?“
„Wie lange im Voraus müssen Sie planen, welche Robe zum Dinner passend wäre?“
Die Bemerkung fand Stephen sehr unhöflich und konnte nicht im Geringsten verstehen, warum Amelie sie so widerspruchslos hinnahm. Offensichtlich hatte der Mann sie in der Hand, sonst würde sie sich
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