Skandal um Prinzessin Natalia (Julia) (German Edition)
und zurückzukommen?“
„Normalerweise ja.“
„Wie lange hast du überhaupt vor, auf der Insel zu bleiben? Ist es nicht problematisch, deine normale Arbeit für Wochen oder Monate lahmzulegen?“
„Das tue ich ja nicht. Auch wenn meine häufige Abwesenheit dem Geschäft nicht unbedingt zuträglich ist, helfen Konferenzschaltungen und andere moderne Telekommunikationsmittel, den Betrieb aufrechtzuerhalten. Darum kann ich mir die paar Wochen durchaus leisten.“
Ein paar Wochen also nur noch, dachte Natalia und versuchte, nicht enttäuscht zu sein. Warum sollte sie auch? Immerhin konnte sie Ben nicht mal leiden. Zumindest anfangs nicht, doch inzwischen …
„In wenigen Minuten landen wir.“
„Wundervoll.“
Am Flughafen wartete eine Limousine samt Chauffeur auf sie. Ben legte leicht eine Hand auf Natalias Schulter und half ihr beim Einsteigen. Sie fühlte die Wärme seiner Finger durch die dünne Seide ihrer Stola und schauderte innerlich. Die Anziehung war offenbar noch größer, als sie es sich bereits eingestanden hatte. Wenn das so weiterging, würde dies noch ein anstrengender Abend werden.
Als sie das luxuriöse Foyer des eleganten Restaurants betraten, verspürte Natalia plötzlich noch eine ganz andere Angst. Was wussten Bens Klienten über sie? Was hatten sie gelesen, und was davon nahmen sie als bare Münze? Natalia schluckte mühsam und wäre am liebsten auf der Stelle umgekehrt. Sie hatte es so satt, die Rolle der Jetset-Partyprinzessin zu spielen.
„Natalia? Alles in Ordnung mit dir?“ Bens Hand lag jetzt um ihre Taille, und in seinen Augen las sie aufrichtige Besorgnis.
„Alles bestens“, versicherte sie lächelnd. „Wie könnte es auch anders sein?“
„Vielleicht, weil du aussiehst, als würdest du dich auf dem Weg zum Schafott befinden?“, sagte Ben trocken. „Dabei war ich sicher, dieser Trip müsste ganz nach deinem Geschmack sein.“
Und genau das sollten er und alle anderen auch denken.
„Ja, danke, es ist auch eine ganz wundervolle Idee von dir gewesen“, versicherte sie mit einem Lächeln, das ganz sicher auf niemanden seine Wirkung verfehlt hätte, außer auf Ben. Irgendetwas bedrückte Natalia, dessen war er sich ganz sicher.
Und das änderte sich auch nicht während des Dinners, obwohl sie charmant und versiert mit seinen Klienten plauderte, die dem illustren Gast mit gebotenem Respekt und echtem Interesse begegneten. Natürlich entgingen Natalia auch nicht die ein, zwei spekulierenden Blicke, doch sie gab sich keine Blöße, sondern spielte graziös und bis zur mentalen Erschöpfung die untadelige Prinzessin, was ihre Mutter sicher erfreut hätte.
Ihr ganzes Leben war im Grunde eine einzige Vorstellung gewesen. Man hatte sie darauf gedrillt, und sie hatte es akzeptiert. Tu so, als würdest du alles verstehen. Vermittle jedem das Gefühl, dass du ihn für interessant, lustig oder intelligent hältst. Hauptsache, du bleibst in deiner Rolle …
Und wenn sie nun keine Lust mehr hatte, auf der Bühne und im Rampenlicht zu stehen? Wenn der Vorhang einfach fallen und sie ihre Maske abnehmen würde?
Während sie darüber nachdachte, antwortete Natalia lächelnd und nichtssagend auf jede Frage, die ihr gestellt wurde, und lauschte anscheinend aufmerksam, ohne das Geringste aufzunehmen. Dafür war sie viel zu sehr mit sich beschäftigt. Und keine Antwort auf ihre brennende Frage zu haben, setzte ihr viel mehr zu als das alberne Schauspiel, dass sie vor Bens Klienten zum Besten gab.
Nachdem der Hauptgang abgedeckt worden war, entschuldigte sie sich bei den Herren und flüchtete in die Intimität der Damentoilette. Der große, luxuriös ausgestattete Vorraum war glücklicherweise leer. Routiniert frischte sie ihr Make-up auf und überflog prüfend ihre Erscheinung. Sie sah gut aus. Niemand hätte auch nur ahnen können, wie sie sich wirklich fühlte.
Ob das überhaupt irgendjemand herausfinden wollte? Sie selbst? Oder Ben?
Als zwei Frauen, die sich in exaltiertem Italienisch unterhielten, den Raum betraten, ließ Natalia Lippenstift und Mascara in ihrer stylischen Clutch verschwinden und wollte an ihren Tisch zurückkehren. Im halbdunklen Korridor wäre sie fast mit einem Mann zusammengestoßen, der an einer der Wände lehnte. Natalia, die dachte, er hätte sich zum Telefonieren dorthin zurückgezogen, murmelte eine Entschuldigung und wollte weitergehen, wurde aber am Ellenbogen festgehalten.
Irritiert sah sie auf und erkannte in dem Mann einen von Bens Klienten.
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