Skandal
Spazierstock gegen das Dach der Kutsche. Wie vereinbart fuhr der Kutscher mit der Droschke auf Grayley zu und hielt direkt neben ihm an.
Grayley, ein Mann mit einem verkniffenen, verhärmten Gesicht, dünnen Lippen und den ruhelosen Augen eines Raubtiers, sprang hinein. Er warf sich auf den Sitz und bemerkte erst dann, daß die Kutsche bereits besetzt war.
»Guten Abend, Grayley.« Simon pochte noch einmal an das Dach, und der Kutscher setzte das Fahrzeug in Bewegung.
»Was zum Teufel soll das alles heißen?« fragte Grayley und sah erst Devlin und dann Simon finster an.
»Faringdon und ich werden die Rollen der Sekundanten für Charles Faringdon übernehmen«, sagte Simon. »Wir sind gekommen, um ein paar Kleinigkeiten zu besprechen.«
»Dann sollten Sie sich mit meinen Sekundanten unterhalten, Barton und Evingly.«
»Ich glaube, für diese Einzelheiten werden Sie sich persönlich interessieren.« Simon lächelte ohne jede Spur von Humor. »Und ich glaube nicht, daß es Ihnen recht wäre, wenn Barton und Evingly etwas davon erfahren würden.«
Grayley wieherte höhnisch. »Sie sind gekommen, um sich in Faringdons Namen bei mir zu entschuldigen?«
»Natürlich nicht. Soweit ich gehört habe, haben Sie die Dame, um die es geht, grob beleidigt«, sagte Simon. »Sie sind hier derjenige, der sich entschuldigen muß.«
Grayley kniff die Augen zusammen. »Und könnten Sie mir vielleicht auch noch sagen, warum ich das tun sollte?«
»Weil Faringdon und ich, wenn Sie es nicht tun«, erklärte Simon liebenswürdig, »gezwungen wären, in Umlauf zu setzen, daß Ihre geschäftlichen Investitionen sehr bald schon einen sehr ernsten Rückgang verzeichnen werden, und dann werden Sie nicht in der Lage sein, Ihren beträchtlichen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen, ganz zu schweigen von Ihren Spielschulden.«
Grayley erstarrte. »Verdammt noch mal, Blade, wollen Sie mir drohen?«
»Ja, ich glaube schon. Soweit ich weiß, haben Sie ziemlich viel in ein Handelsunternehmen investiert, an dem ich ebenfalls beteiligt bin.«
»Und was ist damit? Ich werde in Kürze mit dieser Investition ein Vermögen machen.«
»Das ist höchst unwahrscheinlich, wenn ich beschließe, das Risiko sei es nicht wert, und wenn ich morgen meine Anteile verkaufe. Bis um die Mittagszeit wird sich in der Stadt herumgesprochen haben, daß die ganze Sache geplatzt ist. Wenn ich mich daraus zurückziehe, weil die Chancen meines Erachtens schlecht stehen, werden alle anderen augenblicklich auch aussteigen wollen. Dann gibt es keinen Markt mehr für die Anteile, und Sie werden gemeinsam mit den anderen Teilhabern alles verlieren, was Sie in das Projekt hineingesteckt haben.«
Grayley starrte ihn an. »Gütiger Gott. Sie würden mich und die anderen ruinieren.«
»Das wäre höchstwahrscheinlich.«
»Und das für einen Faringdon?« fragte Grayley ungläubig. »Ich habe gehört, daß Sie für diesen ganzen Clan nichts übrig haben.«
»Und daher erschien es Ihnen ungefährlich, einen von ihnen zu provozieren, wenn ich das richtig sehe. Aber jetzt haben Sie es. Ab und zu macht das Schicksal die seltsamsten Winkelzüge. Soll ich Charles Faringdon Ihre Entschuldigung übermitteln und ihm erklären, daß alles nur ein Mißverständnis war?«
Grayley schwieg lange Zeit. »Wer Sie als einen kaltblütigen Schurken bezeichnet, tut es zu Recht, Blade.«
Simon zuckte mit den Schultern und schaute müßig aus der Kutsche. Es war schon spät in der Nacht, doch auf der Straße wimmelte es von Kutschen, die die eleganten Angehörigen der oberen Zehntausend auf ihrer endlosen Runde von einer Party zur anderen beförderten. »Was ist, Grayley? Sie können sich doch sicher irgendwo nach einer leichteren Beute umsehen?«
»Sie verdammter Kerl, Blade.«
»Kommen Sie schon, Mann«, sagte Simon leise. »Sie brauchen Ihre Schießkunst nicht an dem jungen Faringdon zu beweisen. Suchen Sie sich ein anderes Opfer.«
»Eines Tages werden Sie zu weit gehen, Blade.«
»Schon möglich.«
Grayleys Lippen wurden dünn. Er pochte an das Dach der Kutsche, um dem Kutscher zu signalisieren, daß er anhalten sollte. Als die Kutsche Stillstand, öffnete er die Tür und stieg aus. »Übermitteln Sie Ihrem Bruder meine Entschuldigung«, sagte er barsch zu Devlin. »Es wird zu keinem Treffen im Morgengrauen kommen.«
Grayley trat zurück und knallte die Tür zu. Die Kutsche holperte die Straße hinunter. Devlin sah Blade mit einem Ausdruck in den Augen an, der an
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