Skandal
böse auf mich bist«, sagte Emily, und die dicke Wolle seines Umhangs dämpfte ihre Stimme. »Aber du mußt einsehen, daß gerade die Zeit der entscheidende Faktor war. Ich wußte doch, daß du es dir mit der Zeit anders überlegen wirst, aber ich mußte etwas unternehmen, um Charles augenblicklich zu retten. Ich habe doch nur versucht, dir etwas Zeit zu kaufen, damit du zu Sinnen kommen kannst und begreifst, daß du mir dabei helfen mußt, meinen Bruder zu retten.«
»Und ich nehme an, jetzt glaubst du, genau das werde ich tun?« fragte Simon kühl.
Emily hob den Kopf, um in sein Gesicht zu schauen, das im Dunkel lag. »Ich glaube einfach nicht, daß du ihn sein Leben aufs Spiel setzen lassen kannst, Simon. Du haßt ihn doch gewiß nicht. Er hatte nichts mit dem zu tun, was vor all diesen Jahren passiert ist. Damals war er noch ein kleiner Junge.«
»Die Sünden der Väter...«, zitierte Simon leise.
»Unsinn. Wenn das zutrifft, dann trifft es nicht nur auf Devlin und Charles, sondern auch auf mich zu. Und du ziehst mich doch nicht etwa für das zur Verantwortung, was deiner Familie vor dreiundzwanzig Jahren zugestoßen ist, oder?«
Simon seufzte und versetzte ihr einen sachten Stoß in Richtung Pfad. »Darüber reden wir später miteinander.«
Emily warf einen Blick über ihre Schulter, als er ihr aus dem Wald folgte. »Und was werden wir jetzt tun, Simon?«
»Es scheint, es bleibt uns nichts anderes übrig, als zu sehen, was ich für deinen Taugenichts von einem Bruder tun kann. Offensichtlich läßt du mich andernfalls nicht in Frieden.«
»Danke, Simon.«
»Es wäre gut, wenn du dir merken könntest, Kobold, daß das der absolut einzige Gefallen ist, den ich einem Faringdon jemals zu tun gedenke.«
»Ich verstehe«, sagte Emily liebevoll. »Und ich werde dir ewig dafür dankbar sein.«
»Mir geht es hier nicht unbedingt um deine Dankbarkeit«, sagte Simon zu ihr.
»Worum geht es dir denn?«
»Um die Beteuerung, daß du dich nie mehr in eine solche Lage bringen wirst. Du hättest ausgeraubt, vergewaltigt oder umgebracht werden können, Emily. George loszuschicken, damit er einen Schurken engagiert, war eine kolossale Dummheit.«
Sie hielt ihren Schal fester, als sie wieder auf den Weg traten. »Ja, ich sehe es ein.«
»Außerdem wirst du in Zukunft...« Simon ließ seine Worte mit einem Fluch abreißen, als Lizzie bei dem Anblick der beiden aufschrie und auf ihre Herrin zueilte.
»Da sind Sie ja, Ma’am. Ich habe mir ja solche Sorgen gemacht. Ich hatte Angst, Sie seien verschleppt und vergewaltigt worden, und ich wußte nicht, was auf Erden ich Seiner Lordschaft erzählen soll, wenn Seine Lordschaft nach Ihnen fragt, und es wäre schwer gewesen, ihm vorzuenthalten, daß Sie fort sind. Früher oder später hätte er es zwangsläufig herausgefunden und...« Lizzie unterbrach sich abrupt, als sie erkannte, wer neben Emily stand.
»Sie haben vollkommen recht«, sagte Simon kühl. »Früher oder später hätte ich es zwangsläufig herausgefunden, wenn Ihre Ladyschaft verschleppt worden wäre.«
»O Sir.« Lizzie machte einen zittrigen kleinen Knicks und starrte Simon schockiert an. »Das sind ja Sie, Sir.« »Sehr aufmerksam beobachtet. Und wenn Sie nicht demnächst auf der Straße stehen und sich ohne Geld und gute Worte nach einer neuen Stellung umsehen wollen, dann werden Sie es anstreben, dafür zu sorgen, daß Ihre Ladyschaft nie mehr allein auf dem Dark Walk promeniert.«
»Ja, Sir.« Lizzie wirkte jetzt vollkommen verängstigt.
Emily schalt ihren Mann mit einem Blick aus. »Simon, hör auf, dem armen Mädchen angst zu machen. Und was dich angeht, Lizzie, hör auf zu schniefen, und sammle dich. Es ist alles in Ordnung. Seine Lordschaft hat meine Pläne von Anfang an durchschaut. War das keine brillante Leistung von ihm?«
»Ja, Ma’am.« Lizzie warf einen unsicheren Blick auf Simons furchteinflößendes Gesicht. »Brillant.«
»Und jetzt«, sagte Emily heiter, »wirst du mit der Kutsche auf dem direktesten Weg nach Hause fahren, Lizzie. Seine Lordschaft und ich müssen aufbrechen. Wir haben heute nacht noch einiges zu erledigen. Bleib nicht auf, um auf mich zu warten.«
»Einen Moment mal, wenn es recht ist«, sagte Simon gedehnt. »Hier scheint ein Mißverständnis vorzuliegen. Du wirst mit deiner Zofe auf dem direktesten Weg nach Hause fahren.«
»Aber, Simon, das war doch alles meine Idee, und ich will alles bis zum Schluß verfolgen.«
»Jetzt hast du mich hineingezogen, und wenn
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