Skandal
besser sein, damit zu warten, bis sie den Geist eingearbeitet hatte.
Die Gespräche im Salon bewegten sich jetzt in ein anderes Fahrwasser.
»Wenn wir von einträglichen Investitionen sprechen«, sagte ein geckenhafter Gentleman gewichtig, »bin ich gern bereit, Ihnen von einem neuen Unternehmen zu erzählen, das ich mir im Moment genauer ansehe, Kanalanteile an einem Projekt, das in Hampshire entstehen soll.«
Emily wandte ihre Aufmerksamkeit widerstrebend wieder der Gegenwart zu. Sie sah den Gentleman, der gerade gesprochen hatte, mit fragendem Blick an. »Sollte es sich dabei vielleicht um das Kingsley-Projekt handeln?«
Der Blick des Gentleman richtete sich augenblicklich auf sie. »Ja, sicher, genau davon spreche ich. Der Mann, der meine Angelegenheiten regelt, hat mich kürzlich darauf aufmerksam gemacht.«
»Wenn ich Sie wäre, Sir, hätte ich mit diesem Unternehmen nicht gern etwas zu tun«, sagte Emily. »Ich weiß einiges über die früheren finanziellen Wagnisse, die der Gentleman eingegangen ist, der hinter dem Kingsley-Kanal-Projekt steht, und er hatte bisher immer nur Fehlschläge und Verluste zu verbuchen.«
Der Mann wandte Emily seine volle Aufmerksamkeit zu. »Ist das eine Tatsache, Lady Blade? Ich habe größtes Interesse daran, mehr über das Projekt zu hören, da ich gerade kurz davor stehe, eine recht große Summe hineinzustecken.«
»Wenn Sie in Kanälen investieren wollen«, sagte Emily, »dann würde ich vorschlagen, daß Sie sich vorher mit den Kohlebaugebieten befassen. Oder sehen Sie sich in der keramischen Industrie um. Ich habe festgestellt, daß man überall dort, wo man ein Produkt fin-det, das auf einem ökonomischen Weg auf den Markt gebracht werden muß, auch Bedarf an Kanälen findet. Aber man muß ebenso sorgsam wie das Unternehmen selbst die Menschen prüfen, die dahinterstecken.«
Auf diese beiläufige Bemerkung hin wandten sich die Blicke aller Männer im Raum Emily zu. Emily blinzelte eulenhaft, als sie derart genau gemustert wurde. Sie hatte ihre Investitionsgeschäfte hier in der Stadt fortgesetzt. Schließlich waren die Damen des Literarischen Zirkels von Little Dippington immer noch von ihr abhängig. Aber Emily hatte nicht erwartet, daß sie heute über solche Themen diskutieren würde. Sie war hergekommen, um über Höheres zu reden.
»Sagen Sie«, setzte einer der Männer an und warf augenblicklich seine sorgsam kultivierte Aura von Langeweile ab, »bevorzugen Sie irgendwelche speziellen Projekte?«
»Nun«, sagte Emily bedächtig, »ich habe mehrere Briefpartner in Mittelengland, und zwei von ihnen haben mir kürzlich geschrieben, um mir von einem neuen Kanalprojekt zu berichten. Ich gestehe, daß ich in der letzten Zeit finanziellen Angelegenheiten keine allzu große Beachtung geschenkt habe, aber diese Geschichte fasziniert mich doch sehr. Mit dieser Gruppe von Geldgebern habe ich früher schon einige erfolgreiche Anlagen durchgeführt.«
Jede Vorspiegelung, die den Anschein einer literarischen Diskussion erwecken sollte, wurde abgelegt, als Emily in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rückte. Sie konnte sich vor Fragen und Erkundigungen nicht mehr retten, da die Leute mehr Informationen zu Projekten haben wollten. Sie war auf ganz und gar vertrautem Grund und Boden, wenngleich sie nichts daran spannend fand, doch da sie einen guten Eindruck machen wollte, konzentrierte sie sich auf ihre Antworten.
Eineinhalb Stunden vergingen, ehe sie eine Chance bekam, einen Blick auf die Uhr zu werfen. Sie zuckte zusammen, als sie sah, wie spät es schon war.
»Ich hoffe sehr, daß Sie mir verzeihen werden«, sagte sie zu ihrer Gastgeberin, als sie aufsprang und nach ihrer Handtasche griff. »Ich muß gehen. Vielen Dank für die freundliche Einladung.«
»Wir freuen uns schon darauf, Sie nächste Woche wieder in unserer kleinen Gruppe begrüßen zu dürfen«, sagte Lady Turnbull und taxierte mit einem schnellen Blick in die Runde den faszinierten Ausdruck auf den Gesichtern der Gentlemen. »Vielleicht können Sie uns noch mehr Informationen zu Geldanlagen und dergleichen geben.«
»Ja, kommen Sie nächste Woche unbedingt wieder«, drängte sie einer der Herren.
»Ich wüßte es sehr zu schätzen, Ihre Meinung zu der Maisernte in diesem Sommer zu hören«, sagte ein anderer.
»Vielen Dank«, sagte Emily und machte sich schnell auf den Weg zur Tür. Im Geiste machte sie sich eine Notiz, nächste Woche unbedingt anderweitig beschäftigt zu sein. »Wenn Sie mich jetzt
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