Skandal
überrascht mich, daß er sich nur an meinem Vater und nicht an ihnen allen gerächt hat.«
»Oh, das hat er getan, Emily.« Araminta nickte einer anderen Bekannten zu. »Darauf kannst du dich verlassen. Er hat sich sehr subtil gerächt. Er hat dafür gesorgt, daß jeder dieser Männer ihm in irgendeiner Form ausgeliefert ist. Schon vor sechs Monaten hatte er Canonbury und Peppington in der Hand. Du, meine Liebe, hast anscheinend etwas getan, womit du ihm Northcote auf einem silbernen Tablett serviert hast.«
Emilys Lippen öffneten sich vor Schreck, als sie sich wieder an die Errettung Celestes und an die Kühle und Behutsamkeit erinnerte, die ihr zwischen Simon und dem Marquis nur zu deutlich aufgefallen war. »Da soll mich doch der Teufel holen. Aber der derzeitige Marquis ist der Sohn des Mannes, der Simon und seiner Mutter unrecht getan hat, nicht derjenige, der Blades Anteile weiterverkauft hat.« Ihre Stimme verklang, als sie sich an den starren Kodex ihres Mannes erinnerte.
»Ganz genau«, murmelte Araminta. »Simon hat lange Zeit im Osten gelebt. In seinen Augen gehen die Sünden der Väter auf die Kinder und im Grunde genommen auf die ganze Familie über.«
»Kein Wunder, daß Simon sich so seltsam benommen hat, als ich ihm mitgeteilt habe, ich hätte Lady Northcote gesagt, sämtliche Verpflichtungen zwischen unseren beiden Familien seien abgegolten.«
»Ja. Ich kann mir vorstellen, daß das für Blade ein gewisser Schock war.« Aramintas Mund verzog sich belustigt. »Es wird jedoch gemunkelt, daß er sich tatsächlich an deine Bekundung gehalten und die alte Schuld vergessen hat.«
»Mein Vater hat einmal etwas in dem Sinne gesagt, daß Simon Canonbury und Peppington in der Hand hat. Damals habe ich das nicht verstanden. Ich dachte mir nur, er meinte damit, Simon sei ein einflußreicher Mann.«
»Das ist er auch. Er ist mächtig geworden, indem er dafür gesorgt hat, daß er immer die tiefsten und dunkelsten Geheimnisse derer kennt, mit denen er es zu tun hat. Diese Informationen verleihen ihm Macht. Und er zögert nicht, sie auszuüben.«
»Genau wie er gewußt hat, daß ich der schwache Punkt meines Vaters bin«, sagte Emily nahezu tonlos. »Mein Mann ist ein außerordentlich kluger Mann, nicht wahr?«
»Er ist aber auch sehr gefährlich. Du scheinst der einzige Mensch in ganz London zu sein, der sich nicht vor ihm fürchtet. Das ist zweifellos einer der Gründe, aus denen die oberen Zehntausend dich so faszinierend finden, meine Liebe. Du tanzt unbefangen, wo andere nicht die kleinste Bewegung wagen würden. Bist du ganz sicher, daß du dieses Pferd nicht ohne Brille reiten kannst, Emily?«
»Ich käme augenblicklich vom Weg ab und würde mitten zwischen die Bäume reiten«, versicherte ihr Emily. Sie stieß sich die Brille, an der Araminta Anstoß nahm, noch fester auf die Nase. »Kommen Sie schon, Araminta. Ich sehe Celeste vor uns, und ich kann es nicht erwarten, ihr meine neue Stute zu zeigen.«
»Einen Moment noch. Was hast du vor? Ich sehe doch, daß du etwas ausheckst.«
»Nichts von Bedeutung, Araminta. Ich glaube, ich werde Lady Canonbury und Mrs. Peppington jedoch so bald wie möglich einmal zum Tee einladen. Schließen Sie sich uns an?«
»Gütiger Gott.« Araminta sah hinter Emily her. »Aber gewiß werde ich dabeisein. Das sollte sich als ein interessantes Erlebnis erweisen.«
Der Literarische Zirkel, der am folgenden Nachmittag in Lady Turnbulls Salon tagte, war alles andere als das, was Emily erwartet hatte. Schon seit sie die Einladung erhalten hatte, war sie übermäßig aufgeregt gewesen, denn sie wußte, daß sie dort einige der gebildetsten Intellektuellen Londons auf dem literarischen Sektor treffen würde.
Sie hatte Stunden damit zugebracht, sich für das richtige Kleid und eine angemessene Frisur zu entscheiden. Schließlich hatte sie sich für ein klassisches Erscheinungsbild entschieden, denn sie setzte voraus, daß eine Schar von Leuten, die sich für romantische Poesie und andere intellektuelle Dinge interessierten, diesen Stil bevorzugen würden.
Sie war in einem strengen, sittsam geschnittenen Kleid mit hochangesetzter Taille aus zartem goldenen Musselin erschienen, das mit schwarzen Drachen bestickt war. Sie hatte sich von Lizzie das Haar a L’Antique frisieren lassen.
Sowie sie in Lady Turnbulls Salon geführt worden war, hatte Emily jedoch festgestellt, daß alle anderen Damen Kleider mit modisch tiefen Dekolletes trugen und frivole kleine Hüte frech
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