Skandal
dachte Emily. Sie drehte sich erbost zu ihrem Vater um. »Nun, Papa, und was gibt mir die Ehre dieses unangemeldeten Besuchs?«
»Frag Blade. Ich gehe davon aus, daß er dir diese Frage beantworten kann.« Broderick Faringdon sah finster Simon an, der seelenruhig seinen Tee austrank. »Was zum Teufel haben Sie hier zu suchen, Sir?«
Simon zog die Augenbrauen ein wenig nach oben. »Ich meine doch, daß das auf der Hand liegt, Faringdon. Ich bin zum Tee eingeladen worden, und ich lasse mir gerade eine Tasse sehr guten Lapsung Souchong schmecken.«
»Versuchen Sie nicht, mich mit diesem Unsinn über eine Einladung zum Tee abzuspeisen, Blade. Sie führen doch etwas im Schilde.«
Simon lächelte sein kühlstes Lächeln und stellte seine leere Tasse hin. Etwas, was Befriedigung oder auch Triumph hätte sein können, loderte in seinen Augen auf. »In dem Fall werde ich Sie morgen nachmittag um drei besuchen, um es mit Ihnen zu besprechen.«
»Einen Teufel werden Sie tun«, fauchte Faringdon.
Emily war bestürzt über die häßliche Röte im Gesicht ihres Vaters. Devlin und Charles starrten sie an, als hätte sie ein zweites Mal Schande und Ruin über sich gebracht.
»Und wie ich das tun werde. Darauf können Sie sich verlassen.« Simon erhob sich mit vernichtender Anmut und ragte sogar noch höher als die großen Faringdons auf. »Dann bis morgen, Faringdon.« Er ging auf Emily zu, nahm ihre Hand und küßte sie. Er sah sie mit strahlenden Augen an. »Danke für den Tee, Miss Faringdon. Es hat mir sehr viel Freude gemacht. Aber schließlich fühle ich mich in Ihrer Gegenwart immer sehr wohl.«
»Auf Wiedersehen, Mylord. Ich bedanke mich dafür, daß Sie unseren Salon heute nachmittag beehrt haben.« Emily wollte plötzlich die Schöße seines wunderschönen blauen Fracks packen und ihn hier im Salon festhalten. Sie wollte ihrem Vater und ihren Brüdern nicht allein gegenübertreten. Doch es gab nichts, was sie hätte tun können.
Im nächsten Moment hatte Simon seine Bibermütze mit der weichen Krempe und seine Rehlederhandschuhe von Duckett entgegengenommen und schlenderte zur Haustür hinaus, vor der die zweirädrige Kutsche der Gillinghams mit dem Pferdegespann wartete. Das Klappern von Hufen und das Knirschen von Rädern war zu hören, und dann war er fort.
Emily umklammerte ihre Hände fest, eine mit der anderen, und dann blickte sie ihrem Vater und ihren Brüdern finster entgegen. »Ich hoffe, jetzt seid ihr alle zufrieden. Ihr habt mir meine Teegesellschaft gründlich verdorben. Wir haben es uns blendend gehen lassen, bis ihr hier hereingeplatzt seid, ohne euch auch nur für die Störung zu entschuldigen.«
»Ich habe dir doch gesagt, daß ich hier wohne, Kind. Ich brauche nicht um Erlaubnis zu bitten, ehe ich meinen eigenen Salon betrete. Aber was zum Teufel geht hier vor, Emily?« Broderick Faringdon stemmte die Arme in die Hüften, als er seiner Tochter gegenübertrat. »Ich habe einen Brief von Prendergast bekommen, in dem er mir mitteilt, daß der Earl of Blade um dich wirbt, um Himmels willen.«
»Das stimmt. Und ich hätte geglaubt, daß dir das Stolz und Freude bereitet, Papa.«
» Stolz ?« Devlin schenkte sich aus einer Flasche, die für Simon bereitgestellt worden war, ein Glas roten Bordeaux ein. Er bedachte seine Schwester mit einem mitleidigen Blick. »Hast du jeden Funken Verstand verloren, Em? Du weißt doch, was passieren wird, wenn Blade von dem Vorfall erfährt. Wie bist du überhaupt dazu gekommen, ihn zu ermutigen? Du weißt doch selbst, wie es enden wird.«
Charles schüttelte den Kopf. »Wie konntest du dich nur in eine so üble Lage bringen, Em? Jetzt wird es zwangsläufig zu einer peinlichen Szene kommen. Der ganze alte Schmutz wird wieder aufgewärmt werden, und du wirst dir wie ein Vollidiot Vorkommen.«
»Er weiß bereits von dem Skandal«, schrie Emily und ballte ihre Hände zu kleinen Fäusten. »Er weiß es längst, und ihn stört es nicht. Habt ihr mich gehört? Es interessiert ihn nicht die Bohne.«
Abrupte Stille trat ein. Und dann verhalf sich der ältere Faringdon matt zu einem Glas Bordeaux.
»Darauf hat er es also abgesehen«, sagte Broderick leise. »Ich wußte doch, daß er hinterhältige Pläne hat. Der Mann ist verdammt gefährlich. Das weiß jeder in ganz London. Ich wünschte bei Gott, er wäre in Südostasien geblieben. Warum zum Teufel mußte er zurückkommen?«
»Was für Pläne?« fragte Emily. »Worüber redest du, Papa? Der Mann wird um meine Hand
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