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Skandal

Titel: Skandal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Quick
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brauchte keine besonderen telepathischen Gaben, um zu erahnen, daß er gleich die Feststellung machen würde, seine Ehefrau sei ihm nach kaum vierundzwanzig Stunden fortgelaufen. »Holen Sie das Mädchen augenblicklich her, Duckett. Und schicken Sie jemanden zu den Ställen, damit er Lapsung holt. Ich will in fünfzehn Minuten aufbrechen.«
    »Ja, Mylord. Wenn ich das so sagen darf, Sir, die Dienerschaft ist außerordentlich um Madams Sicherheit besorgt.« Der unausgesprochene Vorwurf hing in der Luft. Ganz offensichtlich warf man dem neuen Herrn der St. Clair Hall vor, Madams ausgeprägtes Feingefühl verletzt und sie damit aus dem Haus getrieben zu haben.
    »Danke, Duckett. Ich werde ihr das bei der ersten Gelegenheit mitteilen, die sich bietet.«
    Madam, dachte Simon grimmig, als Duckett die Tür schloß, sollte besser darauf vorbereitet sein, daß mehr als nur ihr ausgeprägtes Feingefühl Schrammen bekommt, wenn ihr Mann sie zurückholt.
    Wie konnte sie es wagen, einfach so fortzugehen? Sie gehörte jetzt ihm. Sie war doch diejenige, die sich ihm als Ehefrau angepriesen hatte. Jetzt sollte sie sich verdammt noch mal auch daran halten.
    Emily stand mitten in dem winzigen Schlafzimmer des Gasthauses, hatte ihre armselige Habe vor den Füßen liegen und wäre fast schon wieder in Tränen ausgebrochen. Sie war erschöpft, sie hatte Hunger, und sie hatte sich noch nie in ihrem ganzen Leben so allein gefühlt, so hilflos und verloren.
    Jetzt war sie gezwungen, die Nacht in diesem schmuddeligen kleinen Kämmerchen zu verbringen, das den Eindruck machte, als sei es schon seit Jahren nicht mehr gründlich gesäubert oder gelüftet worden. Sie war sicher, daß sie den beißenden Geruch von männlichen Körpern riechen konnte, der dem vergilbten Bettzeug entströmte.
    Emily war bisher noch nie mit der Postkutsche gereist. Es hatte sie gewundert, welche Unbequemlichkeiten das mit sich brachte. Sie war zwischen einem breitgebauten Gentleman eingezwängt gewesen, der die ganze Fahrt über geschnarcht hatte, und einem Knaben mit Pickeln im Gesicht, der sie die ganze Zeit über lüstern angesehen hatte. Zweimal war sie gezwungen gewesen, ihre Handtasche einzusetzen, um seine Hand von ihrem Knie zu stoßen.
    Ihr einziger Trost bestand in dem Wissen, daß sie am nächsten Tag in London sein würde. Ihr Vater und ihre Brüder würden zweifellos überrascht sein, sie zu sehen, doch Emily war sicher, daß sie sie mit offenen Armen willkommen heißen würden. Sie freute sich zwar nicht darauf, sich anhören zu müssen, sie hätte sich lächerlich gemacht, natürlich nicht, aber das ließ sich jetzt nicht ändern. Sie hätte lieber auf ihre Familie als auf ihr dummes, romantisches Herz hören sollen.
    Emily beugte sich vor und hievte eine der schweren Taschen auf das Bett. Alles der Reihe nach. Sie war außerordentlich hungrig, und sie wußte, daß sie bei Kräften bleiben mußte. Emily machte sich daran, sich für das Abendessen im öffentlichen Speisesaal des Gasthauses fertigzumachen.
    Ein paar Minuten später begab sie sich zögernd nach unten, denn ihr war voll und ganz bewußt, daß Damen niemals allein reisten, es sei denn, sie waren extrem arm. Sie hatte Schwierigkeiten zu erwarten, wenn sie ohne einen Begleiter oder eine Zofe im Speisesaal auftauchte. Aber dagegen ließ sich nichts machen. Sie konnte es nicht ertragen, sich auch nur noch eine Minute in dem erbärmlichen kleinen Schlafzimmer aufzuhalten. Vielleicht würde man sie auffordern, sich einer anderen Gruppe von Reisenden anzuschließen, einer Gruppe, zu der auch Damen gehörten. Schließlich war sie jetzt Gräfin.
    Der erste Mensch, den Emily sah, als sie sich im Speisesaal umschaute, war genau das, wonach sie gesucht hatte, eine attraktive, gutgekleidete junge Frau, die offensichtlich aus einer guten Familie stammte. Emily seufzte vor Erleichterung tief auf. Sie würde sich vorstellen, erklären, daß sie ebenfalls allein war, und die junge Dame bitten, sich an ihren Tisch setzen zu dürfen. Dann würde alles gut sein.
    Die junge Dame saß in dem kleinen Speisesaal, der nicht voll war, allein vor dem Feuer. Emily näherte sich behutsam und stellte schockiert fest, daß die Dame eine verdächtige Röte um die Augen hatte, die darauf hinwies, daß sie erst kürzlich geweint hatte. Ihre Hände, die in eleganten Handschuhen steckten, hielt sie auf dem Schoß ihres kostspieligen Reisekostüms fest umklammert. Offensichtlich gab es hier in der Gegend heute abend mehr als

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