Skandal
Verleger interessanter machen.«
»Darüber werden wir sprechen, nachdem ich Gelegenheit hatte, dein Gedicht zu lesen«, sagte Ashbrook und schaute über ihren Kopf hinweg in den strahlend hell erleuchteten Ballsaal. »Und jetzt glaube ich, da wir gerade von Diskretion sprachen, daß wir zum Ball zurückkehren sollten.«
»Da hast du recht. Celeste wird sich schon fragen, was aus mir geworden ist.«
Emily wandte sich heiter ab, um wieder durch die offene Flügeltür zu treten, und Ideen für Die Geheimnisvolle Dame schwirrten
ihr durch den Kopf. Sie hob ihr Lorgnon, um sich kurz im Saal umzusehen, und dabei stieß sie fast mit ihrem Mann zusammen, der sich wie ein gewaltiger Geröllbrocken aus dem Nichts materialisierte.
»Oh, hallo.« Sie sah lächelnd zu ihm auf. »Ich hatte gehofft, daß du bald kommst. Es ist alles so aufregend, findest du nicht auch? Ich fühle mich einfach blendend. Ich habe mich gerade mit...« Sie unterbrach sich, schaute durch ihr Lorgnon nach allen Seiten und stellte fest, daß Ashbrook ihr nicht in den Ballsaal gefolgt war. »Schon gut. Meine Güte, du siehst umwerfend aus, Simon.«
Blade, der elegante dunkle Abendkleidung trug, schaute ein paar Sekunden lang nachdenklich über ihren Kopf in den Garten. Dann sah er auf Emily herunter.
»Es freut mich zu hören, daß es dir hier gefällt, meine Liebe. Wirst du mir die Ehre erweisen, diesen Walzer mit mir zu tanzen?«
»Es wird noch ein Walzer gespielt? Ich hatte den Eindruck, Lady Northcote hätte nur einen einzigen Walzer für den ganzen Abend genehmigt.«
»Ich habe ihr zugesetzt, ihre Zustimmung zu einem zweiten Walzer zu geben, weil ich ihn mit dir tanzen wollte.« Simon führte sie auf die Tanzfläche.
»Simon, das ist ja ganz reizend von dir«, hauchte Emily, die reichlich bezaubert von dieser Geste war.
»Mir hat die Vorstellung auch gut gefallen.« Er wirbelte sie zu dem anmutigen Rhythmus des Tanzes herum. »Und Lady Northcote war, sagen wir, kooperativ.«
Sämtliche Gedanken an Die Geheimnisvolle Dame und ihre Pläne, sich Ashbrooks Literarischem Zirkel anzuschließen, fielen schlagartig von Emily ab. Sie tanzte den Walzer mit ihrem geliebten Drachen. Etwas Vollkommeneres konnte es auf Erden nicht geben.
Simon glitt gelassen durch den Saal und war sich bewußt, daß die Blicke der Gesellschaft auf ihm und seiner frischvermählten Frau ruhten. Morgen früh würde Emily das Gesprächsthema der ganzen Stadt sein. Er und Emily stellten auf dem Tanzboden einen unwiderstehlichen Kontrast dar, und das wußte Simon. Dieser Umstand gefiel ihm gut.
Was ihm nicht paßte, war der Anflug von glühender Eifersucht, der ihn gepackt hatte, als er Emily mit Ashbrook auf den Fersen aus dem Garten hatte zurückkehren sehen.
12
»Dein Haus ist einfach phantastisch, Simon«, erklärte Emily, als sie allein einen Walzer in der Bibliothek tanzte. Jedesmal, wenn sie an einem der juwelenbesetzten Drachen vorbeiwirbelte, streckte sie die Hand aus, um die Köpfe der Bestien liebevoll zu tätscheln. Die dunkelgrünen Röcke ihres Kleids wehten um ihre Füße herum.
Der Ball hatte vor einer Stunde geendet, und es hatte sie einiges an Zeit gekostet, ihre Kutsche zu holen und durch die verkehrsreichen Straßen nach Hause zu gelangen, aber Emily schien einfach nicht mit dem Tanzen aufhören zu können. Sie fühlte sich schwindlig und überschäumend und übermäßig lebendig. Sie summte die Klänge des Walzers, den sie am früheren Abend mit Simon getanzt hatte. »Und noch phantastischer als alles andere finde ich dieses Zimmer hier«, fuhr sie mit einem nachdrücklichen Nicken fort. »Es ist einfach vollkommen, genauso, wie ich es mir vorgestellt hatte. Exotisch und üppig und voller seltsamer und geheimnisvoller Gegenstände.« Sie tätschelte einen schwarzgoldenen Drachen, als sie am Kamin vorbeitanzte.
»Das überrascht mich nicht. Ich hatte schon geahnt, daß es dir gefallen würde.« Simon schenkte zwei Gläser Cognac ein und hielt ihr eines hin.
»Das zeigt nur, wie gut wir aufeinander eingestimmt sind.« Sie nahm ihm das Glas aus der Hand, als sie an ihm vorbeitanzte. »Siehst du es nicht selbst, Simon? Ich sage dir doch immer wieder, daß unsere Kommunikation...«
»Sich auf einer höheren Ebene abspielt«, beendete er den Satz für sie. »Ja, meine Liebe. Ich habe oft genug gehört, daß du diese Tatsache betont hast.« Er hob sein Glas und prostete ihr zu. »Auf dich, meine Frau. Du hast heute abend große Erfolge
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