Skandal
gefeiert.«
»Das hatte ich nur Lady Merryweather zu verdanken.« Emily kicherte und tanzte ans andere Ende des Raumes. »Und Lady Northcote. Sie war so nett zu mir. Sie und Celeste haben mich absolut jedem vorgestellt, und ich habe fast jeden Tanz getanzt, Simon. Darunter auch zwei Walzer.«
»Araminta hat mir erzählt, daß du den ersten Walzer mit Ashbrook getanzt hast.«
Emily warf einen schnellen Seitenblick auf ihn, als sie an einem der riesigen Satinkissen vorbeiflitzte. Sie fragte sich, ob Simon wußte, daß Ashbrook der Mann war, mit dem sie vor fünf Jahren fortgelaufen war. Und wenn er es wußte, war er dann wohl eifersüchtig? fragte sie sich. Das war verdammt unwahrscheinlich. Simon war viel zu beherrscht und zu selbstsicher, um eifersüchtig zu werden. Und außerdem wußte er, daß ihr Herz ihm gehörte.
»Ja. Ashbrook hat mich zu dem ersten Walzer aufgefordert, Simon. Ich glaube, ich sollte dir etwas über ihn erzählen.«
»Und was könnte das sein?« Simon sah sie über den Rand seines Glases hinweg eindringlich an.
Emily blieb vor einem chinesischen Bild stehen, das in zarten Pinselstrichen dicke Pferde und merkwürdig gekleidete Krieger zeigte. Sie sah es sich durch ihre Brillengläser ganz genau an. »Richard war der Mann, in den ich vor fünf Jahren verliebt zu sein glaubte - der, mit dem ich ausgerissen bin.«
»Aber du bist vor fünf Jahren mit niemandem ausgerissen«, be-
merkte Simon seelenruhig. »Ich dachte, ich hätte dir erklärt, daß es praktisch gesehen keinen unseligen Vorfall in deiner Vergangenheit gibt.«
Emily drehte sich überrascht zu ihm um. »Aber, Simon... ach so, ich verstehe«, sagte sie, da sie plötzlich begriff und zu würdigen wußte, was er tat. »Das gehört zu deinem Plan, mir zu einem erfolgreichen Einstieg in die Gesellschaft zu verhelfen, stimmt’s? Wir werden das Problem des Skandals dreist umgehen. Wir werden schlichtweg leugnen, daß er sich je ereignet hat.«
»Exakt.«
»Ein brillanter Ansatz.« Sie zog nachdenklich die Stirn in Falten. »Aber was ist, wenn Richard etwas darüber verlauten läßt?«
»Ich glaube nicht, daß er das tun wird.«
Emily nickte und dachte darüber nach. »Wahrscheinlich hast du recht. Ich kann mir vorstellen, daß es ihm peinlich wäre.«
Simons Mundwinkel zogen sich verschmitzt hoch, und seine goldenen Augen funkelten. »Ich denke, es wäre mehr als nur ein wenig peinlich für ihn. Tatsächlich könnte es ihm sogar recht gefährlich werden.«
»Ja, er muß schließlich auch an seinen eigenen Ruf denken.«
»Unter anderem.«
Emily nickte wieder und tanzte ihren Walzer weiter. Sie warf noch einen versonnenen Blick auf Simon. »Ich glaube wohl kaum, daß du eifersüchtig auf Lord Ashbrook bist, oder?«
»Wegen des nicht-existenten unseligen Vorfalls oder weil er heute abend einen Walzer mit dir getanzt hat?«
»Eins von beidem«, sagte Emily übereifrig. Ihr Herz machte angesichts dieser Möglichkeit einen Satz.
»Sollte ich eifersüchtig sein?« Simons Stimme drückte keinerlei Gefühlsregung aus.
»Nein, nicht eine einzige Sekunde lang«, versicherte ihm Emily großmütig. »Ich habe vor fünf Jahren einen sehr dummen Fehler begangen. Die Wahrheit ist die, daß ich fast augenblicklich nach unserem Aufbruch aus Little Dippington begriffen habe, daß ich Richard in Wirklichkeit gar nicht heiraten will. Es war alles sehr aufregend, einfach so auszureißen und uns auf den Weg zur Grenze zu machen, und Richard hat ständig die allerschönsten Gedichte zitiert. Aber ich war schon bald gezwungen, dem Umstand ins Gesicht zu sehen, daß ich ihn nicht liebe. Ich hätte ihn unmöglich heiraten können.«
»Und der Walzer heute abend? Hast du neue Gefühle für ihn wahrgenommen, als er dich in seine Arme gezogen hat?«
»Nein.« Emily legte den Kopf zur Seite und dachte über ihre Reaktionen nach. »Nein, ganz und gar nicht. Es war eher so, als träfe man einen alten Bekannten wieder, den man eine ganze Weile nicht gesehen hat.«
In diesem Augenblick beschloß sie spontan, sie wollte Simon nichts von Ashbrooks großzügigem Angebot erzählen, sich ihr Manuskript einmal anzusehen. Jedenfalls noch nicht. Schließlich stand noch nichts fest. Es konnte gut sein, daß Ashbrook Die Geheimnisvolle Dame als gänzlich unverlegbar ansehen würde. Dann war es schon demütigend genug, wenn Ashbrook wußte, daß sich daraus nichts machen ließ.
»Ich verstehe. Als träfe man einen alten Bekannten wieder.«
»Ja. Ganz genau.«
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